Live hören
ARD Infonacht
22.03 - 06.00 Uhr ARD Infonacht
Nadia Bunke, die Mutter der Revolutionärin Tamara Bunke, zeigt 1998 in Santa Clara (Kuba) zwei Porträts ihrer 1967 getöteten Tochter

19. November 1937 - Die Revolutionärin und DDR-Volksheldin Tamara Bunke wird geboren

In der DDR gilt sie als Nationalheldin: Tamara Bunke kämpft an der Seite von Che Guevara für die sozialistische Weltrevolution. Doch dann begeht sie in Bolivien einen verhängnisvollen Fehler.

Für Tamara Bunke ist klar: "Es gibt nichts Schöneres, als dort zu sein, wo es brennt und wo der revolutionäre Kampf am härtesten ist." Mitte der 1960er-Jahre ist dieser Ort für sie die bolivianische Hauptstadt La Paz. Angeblich erforscht sie als Ethnologin die Musik der indigenen Bevölkerung. Tatsächlich aber organisiert sie unter falschem Namen Unterkünfte für Guerilleros, die unerkannt ins Land gelangen.

Der Anführer der Einheit ist Ernesto "Che" Guevara, der 1959 an der Seite von Fidel Castro auf Kuba den USA-freundlichen Diktator Batista gestürzt hat. Nun will der in Argentinien geborene Guerillero die sozialistische Weltrevolution auf Bolivien ausweiten und anschließend im benachbarten Argentinien weiterkämpfen. Zu diesem Zweck fährt Tamara Bunke mit ihrem Jeep immer wieder neue Kämpfer in ein geheimes Basislager im Süden Boliviens.

Übersetzerin von Che in Ost-Berlin

Kennengelernt haben sich Che Guevara und Tamara Bunke 1960 in Ost-Berlin. Der "Commandante" wirbt damals in der DDR für ein Wirtschaftsabkommen mit Kuba. Die 23-Jährige dolmetscht für ihn. Die am 19. November 1937 in Buenos Aires geborene Bunke spricht perfekt Spanisch. Ihre Eltern sind 1935 vor den Nationalsozialisten aus Deutschland nach Argentinien geflohen, weil sie als Juden und Kommunisten verfolgt wurden.

Als Tamara 14 Jahre alt ist, siedelt die Familie 1952 in die DDR über. Das Mädchen engagiert sich in der FDJ und wird nach dem Abitur SED-Mitglied. Doch ihre Sehnsucht nach Argentinien lässt sie nicht los. Als Che sie nach Lateinamerika einlädt, beantragt Tamara die Ausreise aus der DDR. In Kuba wird sie vom kubanischen Geheimdienst angeheuert und wandelt sich zu "Tania, la Guerrillera".

Tamara Bunke, Guerrillera (Geburtstag, 19.11.1937)

WDR Zeitzeichen 19.11.2022 14:56 Min. Verfügbar bis 19.11.2099 WDR 5


Download

Undercover-Einsatz in Bolivien

In La Paz operiert Tamara Bunke auf Empfehlung von Che Guevara. Doch im März 1967 begeht sie einen folgenschweren Fehler. Statt wie zuvor von ihren Fahrten zum sogenannten Bärenlager der Guerilleros sofort zurückzukehren, wartet sie dort mehrere Wochen auf Che. In der Zwischenzeit finden die bolivianischen Soldaten in ihrem verlassenen Jeep Notizbücher und Fotos.

Am 27. März 1967 notiert Guevara: "Alles deutet darauf hin, dass Tania aufgeflogen ist. Damit sind zwei Jahre guter und geduldiger Arbeit verloren." Bunke kann nicht mehr nach La Paz zurück. Sie muss sich als einzige Frau der Kampfeinheit anschließen. Für den Kampf im Dschungel ist Bunke aber nicht ausgebildet. Die tagelangen Märsche mit schwerem Rucksack und zu großen Schuhen schwächen sie. Che teilt die Erkrankte der Nachhut zu.

In einem Hinterhalt erschossen

Am 31. August 1967 wird Tamara Bunke von bolivianischen Soldaten in einem Hinterhalt am Rio Grande erschossen. Einige Tage später wird die Leiche der knapp 30-Jährigen aus dem Fluss gezogen. Im Rucksack findet sich angeblich ein wasserfest verpackter Brief an ihre Mutter: "Ich habe Angst. Ich weiß nicht, was aus mir und all den anderen werden soll. Wahrscheinlich nichts." Che überlebt Tamara nur um wenige Wochen.

In der DDR wird der Tod der Revolutionärin erst am 3. November 1967 öffentlich. Der Grund: Che Guevara gilt als Dissident, weil er ideologisch nicht streng auf der Linie der Sowjetunion war. In der Parteizeitung "Neues Deutschland" kann Tamaras Familie zwar eine Todesanzeige abdrucken. Doch die Trauerfeier, bei der nur 25 Menschen anwesend sein dürfen, muss im Geheimen stattfinden. Erst viel später wird die Genossin in der DDR als Vorbild inszeniert: Viele Schulen und Kindergärten erhalten ihren Namen.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Andrea Kath
Redaktion: Matti Hesse

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 19. November 2022 an Tamara Bunke. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

ZeitZeichen am 20.11.2022: Vor 75 Jahren: Wolfgang Borchert stirbt in Basel