Alexander I Obrenovich, König von Serbien. Beim "Prinzenraub von Wiesbaden" wurde der Junge mit 11 Jahren in Wiesbaden von seiner Muttter getrennt.

13. Juli 1888 – Der Prinzenraub von Wiesbaden

Es ist ein Rosenkrieg und eine politische Intrige: Am 13. Juli 1888 holen Handlanger des Vaters den serbischen Thronfolger Alexander aus der Obhut seiner Mutter Natalie in Wiesbaden und bringen ihn nach Belgrad. Damit nimmt das Unheil seinen Lauf.

Dabei hätte die Geschichte auch anders ausgehen können: Als Milan Obrenovic – damals noch Fürst – Natalie Keschko in der Spielbank von Monte-Carlo kennenlernt, verliebt er sich sofort in die 15-Jährige. "Bei dieser Frau trifft orientalische Schönheit auf okzidentale Kultur. Insbesondere hat sie den Esprit einer Französin", telegrafiert er nach Belgrad.

Prinzenraub von Wiesbaden: Rosenkrieg beim serbischen König

WDR Zeitzeichen 13.07.2023 14:49 Min. Verfügbar bis 13.07.2099 WDR 5


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Im Oktober 1875 heiraten die beiden, ein Jahr später wird ihr gemeinsamer Sohn Alexander geboren. Doch bald verfällt der mittlerweile zum König von Serbien proklamierte Milan I. seinen Lastern. Er verprasst das königliche Salär an Spieltischen und vergnügt sich mit anderen Frauen.

Politisch und persönlich zerrüttet

Die selbstbewusste und privilegiert aufgewachsene Natalie ist nicht gewillt, die Eskapaden des Gatten hinzunehmen. Ihr missfallen nicht nur die anderen Frauen, sondern auch seine politische Anbindung an Österreich-Ungarn. Die Tochter eines russischen Offiziers ist dem Zarenhof zugewandt. Somit wird die ohnehin schon komplizierte Ehe durch den Machtkampf auf dem Balkan zwischen Österreich und Russland weiter erschwert.

Neue Wahlheimat Wiesbaden

Schließlich einigen sich der König und die Königin von Serbien darauf, getrennte Wege zu gehen. Der Kompromiss sieht vor, dass Natalie mit dem Sohn Belgrad verlässt, der Junge aber an einem Ort mit einer orthodoxen Kirche aufgezogen werden soll. Die Wahl fällt auf Wiesbaden. Die Kurstadt ist beim Hochadel beliebt und verfügt zudem über eine orthodoxe Kirche.

Kronprinz Alexander soll wieder nach Belgrad

Im Frühsommer 1888 hält die königliche Droschke vor der Villa Clementine. Bald spricht sich herum, dass sich die elegante und schöne Königin Natalie von Serbien mit ihrem Sohn in der Stadt niederlassen will. Doch dann ändert Milan I. seine Strategie und will – entgegen der Abmachung – seinen Sohn zurück an den Hof nach Belgrad holen.

Grünes Licht vom Preußischen Hof

Die emanzipierte Natalie pocht hingegen auf die Einhaltung der Vereinbarung und bittet sogar den deutschen Kaiser und andere europäische Adelshäuser um Unterstützung. Vergeblich. Milan I. ist der Mächtigere und bekommt vom preußischen Hof grünes Licht, dass er den Kronprinzen notfalls mit Gewalt entführen kann.

Entführung mithilfe der Preußen

Am Vorabend des 13. Juli 1888 informiert der Wiesbadener Polizeipräsident die Königin von Serbien, dass man den Sohn am folgenden Tag abholen werde. Am nächsten Morgen geleiten Polizisten und serbische Adjutanten Alexander in die bereitgestellte Kutsche zum Bahnhof. Die Mutter verzichtet auf gewaltsamen Widerstand und lässt den Jungen ziehen.

König von Serbien mit zwölf Jahren

Alexander wird in der Heimat jubelnd empfangen. Bald wird klar, warum Milan I. den Sohn in Belgrad haben wollte. Wegen der zunehmenden Unzufriedenheit mit seiner Politik überlässt er im folgenden Frühjahr seinem Sohn den Thron. Alexander kann mit seinen zwölf Jahren allerdings nicht regieren und bekommt zwei Regenten zur Seite gestellt, die vom Vater kontrolliert werden. So beeinflusst der Ex-König auch von seinem Domizil in Österreich weiterhin die serbische Politik.

"Ohne Herz und Seele wie sein Vater"

"Der Junge ist im Grunde genommen in dem Belgrader Königspalast völlig alleine", sagt die Historikerin Brigitte Forßbohm. Die Mutter lebt inzwischen in Frankreich und mahnt in einem Brief: "Mein Sohn, der, wie Sie sagen, in einem Käfig erzogen wird, wird ohne Herz und Seele wie sein Vater werden." Sie wird Recht behalten.

Impulsiver und chaotischer König

Der junge König Alexander gilt als impulsiv, chaotisch und tyrannisch. Seinem Vater verbietet er nach einigen Jahren die Einreise nach Serbien, entgegen allen Ratschlägen heiratet er die verrufene Hofdame Draga. Der Widerstand beim Volk wird immer größer. Bei einem Aufstand im Palast werden Alexander und Draga, die kinderlos sind, 1903 umgebracht. Das serbische Adelsgeschlecht Obrenovic ist ausgelöscht. Natalie stirbt 1941 in Frankreich.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Martina Meißner
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 13. Juli 2023 an den Prinzenraub von Wiesbaden. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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