Ein Arzt von "Ärzte ohne Grenzen" kümmert sich um die Flutopfer in Pakistan

20. Dezember 1971 – Gründung von "Ärzte ohne Grenzen"

Stand: 09.12.2021, 17:01 Uhr

Nach Einsätzen im Biafra-Krieg und der Flutkatastrophe in Ostpakistan wollen einige französische Ärzte nicht mehr über ihre furchtbaren Erlebnisse schweigen – so wie es das Rote Kreuz vorgibt. Sie gründen im Dezember 1971 eine eigene Hilfsorganisation: "Ärzte ohne Grenzen".

Gründung von "Ärzte ohne Grenzen" (am 20.12.1971)

WDR Zeitzeichen 20.12.2021 15:02 Min. Verfügbar bis 21.12.2099 WDR 5


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Was der französische Arzt Max Récamier Ende der 1960er Jahre in der abtrünnigen nigerianischen Provinz Biafra sieht, übertrifft alles bisher Erlebte: Durch die Blockade der Regierungstruppen verhungern Hunderttausende, darunter viele Kinder. Zudem ist die Hilfe in Biafra schlecht organisiert. Auch in Ostpakistan fehlt es 1970 nach einer großen Überschwemmung den zur Hilfe eilenden Ärzten und Krankenschwestern am Nötigsten, um die Flutopfer medizinisch zu versorgen.

Nach ihrer Rückkehr aus dem heutigen Bangladesch sind die Mediziner überzeugt, dass man für künftige Einsätze besser vorbereitet sein sollte. Zusätzlich inspiriert von der Aufbruchstimmung der 68er Studentenbewegung wollen sie eine effiziente und moderne Hilfgsorganisation schaffen.

Gründung in Paris

Heute spielt es im Grunde keine Rolle mehr, ob die offizielle Gründung in Paris am 20. Dezember 1971, am 21. oder sogar noch einen Tag später stattgefunden hat. Die "Médecins Sans Frontiers", die "Ärzte ohne Grenzen" – wie sich die neue Nothilfe nennt – sind am Anfang vor allem eine enthusiastische Idee. Fortan heißt es: improvisieren, Geld beschaffen, Fundraising und Kampagnen aufsetzen, damit die Not der Benachteiligten und Bedürftigen gelindert werden kann.

Auch wollen die die Mediziner nicht mehr über ihre Einsätze schweigen, so wie es ihnen das Rote Kreuz zuvor vorgeschrieben hatte. "Wenn man genau weiß, dass ein Flüchtlingslager eigentlich als Konzentrationslager für Menschen dient, die ermordet werden sollen, dann ist es unmöglich, einfach seinen Job als Arzt zu machen", erklärt der französische Arzt Claude Malhuret. "Behandeln und Bezeugen" werden zum Leitspruch der Organisation und ihren Helfern.

Die Katastrophen dieser Welt

Mechaniker, Elektriker, Hebammen, Krankenpflegerinnen, Psychologen, Chirurgen, Ärztinnen reisen für "Ärzte ohne Grenzen" in die Welt. Der erste große Einsatz beginnt in Beirut in den 1970er Jahren, es folgen die Katastrophen dieser Welt: Folter in Libyen, Hunger im Südsudan, Zerstörung nach dem Tsunami 2004, Ebola in Westafrika. Dabei ist "Ärzte ohne Grenzen" oftmals die letzte "Erste Hilfe".

So wie 1995 in Srebrenica, wo die bosnisch-serbische Armee ein Massaker plant und Tausende Muslime auf einem Fabrikgelände festsetzt. Neben einem australischen Arzt ist nur noch Christine Schmitz für "Ärzte ohne Grenzen" vor Ort. Die Krankenschwester aus Berlin wird später als Zeugin im Prozess gegen General Mladić aussagen, den Verantwortlichen für 8.000 Tote von Srebrenica.

Mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet

1999 erhält "Ärzte ohne Grenzen" den Friedensnobelpreis, auch weil "jeder selbstaufopfernde freiwillige Helfer eine Quelle der Hoffnung auf Frieden und Versöhnung ist", so die Begründung. Aber es gibt auch Kritik: "Ärzte ohne Grenzen" falle dem Rad von Terror und Krieg nicht in die Speichen, sondern versorge nur die Opfer unter diesem Rad. Die Mitarbeiter müssen ständig abwägen, wie sie den Bedürftigen helfen können, ohne mit den Machthabern zu paktieren.

Die Hoffnung der Gründer hat sich allerdings bislang nicht erfüllt: "Der Traum ist, dass wir irgendwann überflüssig sind." Bis dieser Traum wahr ist, queren sie immer wieder neue Grenzen. Zuletzt auf dem Mittelmeer, wo "Ärzte ohne Grenzen" versucht, Menschen auf der Flucht aus Afrika zu retten.

Autor des Hörfunkbeitrags: Uwe Schulz
Redaktion: Ronald Feisel

Programmtipps:

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 20. Dezember 2021 an die Gründung von "Ärzte ohne Grenzen". Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.

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