Auf einer Zeichnung wird die Anwendung des Chloroforms bei Operationen dargestellt.

23. Dezember 1831 - Entdeckung des Chloroforms

Stand: 15.12.2021, 18:28 Uhr

1831 lehrt Justus Liebig seine Studenten in Gießen das Experimentieren mit sorgfältiger Analyse und die theoretischen Grundlagen. Bei einem seiner Experimente entdeckt der Mitbegründer der analytischen Chemie eher zufällig das Chloroform.

Bernd Commerscheidt, Chemiker an der Justus Liebig Universität in Gießen, erklärt, wie damals geforscht wird:

"Natürlich hat man damals versucht neue Substanzen zu generieren. Man hat halt bekannte Substanzen miteinander reagieren lassen und hat dann untersucht, was dabei rausgekommen ist. Und so ist auch Chloroform entstanden." Bernd Commerscheidt

Justus Liebig entdeckt Chloroform (im Jahr 1831)

WDR Zeitzeichen 23.12.2021 14:22 Min. Verfügbar bis 24.12.2099 WDR 5


Download

Zeitgleich mit Liebig finden der US-Amerikaner Samuel Guthrie und der Franzose Eugen Soubeiran die Grundzutaten für das künftige Narkosemittel.

Der Chemiker Justus Liebig

Der Chemiker Justus Liebig

Liebig hat seine Entdeckung vermutlich schon längst vergessen, als im schottischen Edinborough der Geist seiner Erfindung 16 Jahre später aus einer Flasche steigt.

Der Geist aus der Flasche

Der Gynäkologe James Young Simpson hat zu einer seiner berühmt berüchtigten Abendgesellschaften geladen, bei denen er gerne kleine braune Fläschchen unter seinen Gästen herumreicht. Wer möchte, darf mal riechen. Diesmal ist es Chloroform. Was dieser Flaschengeist bewirkt, wird ihm klar, als er sich wenig später auf seinem Teppich wiederfindet, um ihn herum friedlich schlafende Gäste.

Mit Chloroform gegen den Geburtsschmerz

Der Gynäkologe ist entschlossen, in seiner Klinik Frauen mit Chloroform den Geburtsschmerz zu erleichtern.

Die Anglikanische Kirche reagiert entsetzt auf das "Teufelszeug", gelten seit dem Christentum doch Schmerz und Leid als gerechte Strafe Gottes. 

Der Gynäkologe kontert ebenfalls aus der Schöpfungsgeschichte:

"Als Gott Eva aus einer Rippe erschuf, versetzte er Adam dafür in einen tiefen Schlaf, was nichts anderes beweist, als auch Gott kannte bereits die Narkose." James Young Simpson

Wenn die Königin es nimmt, muss es gut sein

Gegenüber Äther gilt Chloroform als besser zu dosieren. Als die englische Königin Victoria sich entschließt, ihr achtes Kind unter Narkose zu gebären,

"war das nicht nur der Durchbruch des Chloroforms, das war auch Durchbruch der Narkose. Sie fand die Anerkennung, weil man gesagt hat, wenn die englische Königin sich dieses Mittel verabreichen lässt, dann muss es ein gutes Mittel sein." Medizinhistorikerin Heike Petermann, Universität Münster

Dosierung ist ein Glücksspiel

Aber nicht gut genug, um der Anästhesie zum Durchbruch zu verhelfen. Äther und Chloroform versetzen die Patienten zwar nun in einen tiefen, schmerzlosen Schlaf, aber nicht jede Frau erwacht auch wieder, erklärt Heike Petermann. Heute weiß man, dass beides schwere Nebenwirkungen auf innere Organe und das zentrale Nervensystem hat. Über die richtige Dosierung wusste man wenig, über die Wirkweise gar nichts.

Ein weiter Weg bis zur Durchsetzung

Es dauert bis 1898, bis die erste Rückenmarksanästhesie gelingt, Lachgas und andere flüchtige Stoffe verdrängen mehr und mehr das Chloroform. In den 1930er-Jahren etabliert sich die Anästhesie im Angloamerikanischen Raum mit ersten Lehrstühlen. Allerdings dauert es noch bis ins Jahr 1953, bis sich die Anästhesie als Fachgebiet durchsetzt.

Autorinnen des Hörfunkbeitrags: Anja Arp/Doris Arp
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 23. Dezember 2021 an die Entdeckung des Chloroforms. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.

ZeitZeichen am 24.12.2021: Vor 150 Jahren: Uraufführung der Oper "Aida" in Kairo