Dietrich Fischer-Dieskau im Januar 2002

18. Mai 2012 - Todestag des Sängers Dietrich Fischer-Dieskau

Stand: 13.05.2022, 12:06 Uhr

In der Welt der klassischen Musik wird er als "Jahrhundertsänger" gefeiert. Wie kein Zweiter beherrschte Dietrich Fischer-Dieskau die Kunst, mit feinsinnigen Liedinterpretationen musikalische Geschichten zu erzählen. Als Opernsänger hatte der lyrische Bariton fast alle großen Partien seines Fachs im Repertoire.

Dietrich Fischer-Diskau ist 22 Jahre alt, als ihn die Musikschriftstellerin Karla Höcker 1947 in Berlin erstmals auf der Bühne erlebt. "Er begann zu singen, und das war das wirklich Rätselhafte, dass die Stimme, der Mensch, die Musik völlig eins wurden", schildert Höcker ihre Begegnung mit dem Nachwuchs-Bariton.

Dietrich Fischer-Dieskau, Sänger (Todestag, 18.05.2012)

WDR Zeitzeichen 18.05.2022 14:43 Min. Verfügbar bis 18.05.2099 WDR 5


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Bereits seine erste Interpretation von Franz Schuberts Liederzyklus "Winterreise", Ende 1947 vom Sender RIAS aufgenommen, setzt Maßstäbe. Viele weitere folgen, an denen man bis heute nicht vorbeikomme, sagt der Wuppertaler Bariton Simon Stricker: "Fischer-Dieskau ist die Hausnummer, wie man an Musik und Text herangeht, wie man beides verinnerlicht.“

Von der Musikhochschule in den Krieg

Der 1925 geborene Ausnahmesänger stammt aus einem klassikbegeisterten Elternhaus, Mutter und Vater spielen Klavier. Unter dem Flügel liegend in die Töne hineinzuhorchen, sei seine größte Wonne gewesen, erinnert sich Fischer-Dieskau später. Mit neun erlebt er in der Oper Richard Wagners "Lohengrin" und ist so begeistert, "dass ich sofort Heldentenor werden wollte." Der Stimmbruch allerdings beendet den Tenor-Traum des jungen Dietrich.

Noch während der Schulzeit festigte sich sein Wunsch, Sänger zu werden. Nach dem Abitur 1943 besteht Fischer-Dieskau die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule, unter anderem mit Schuberts "Der Wegweiser". Seine Hoffnung, damit der "Zumutung, Soldat zu werden" zu entgehen, bleibt aber unerfüllt. Noch im selben Jahr muss der 18-Jährige in den Krieg ziehen. 1945 gerät er bei Bologna in amerikanische Gefangenschaft.

Überirdisches Pianissimo

Sofort nach seiner Entlassung nimmt Dietrich Fischer-Dieskau den Gesangsunterricht wieder auf. Als Marquis Posa in Verdis "Don Carlos" feiert er 1948 in Berlin sein Operndebüt. Mit diesem Engagement und der Aufnahme der "Winterreise" im Jahr zuvor legt der unerfahrene, aber hoch talentierte Neuling den Grundstein für seine internationale Karriere.

Szenenfoto aus der Oper "Tannhäuser"

Fischer-Dieskau (rechts) in der Wagner-Oper "Tannhäuser"

1951 singt Fischer-Dieskau bei den Salzburger Festspielen unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler; die Kritik reagiert euphorisch. Nicht durch Bravour und Tonfülle habe der Jungstar das Publikum erobert, "sondern durch ein Pianissimo, dass vollkommen transparent und vergeistigt und geradezu überirdisch wirkte", heißt es.

Aus aller Welt erhält Fischer-Dieskau von nun an Einladungen der bedeutendsten Konzerthäuser, Opernbühnen und Festivals. Nach und nach beherrscht er fast alle wichtigen Partien des Bariton-Fachs. Er wagt sich auch an die großen Rollen der zeitgenössischen Musik wie in Alban Bergs "Wozzeck" oder Benjamin Brittens "War Requiem". Hans Werner Henze schreibt für ihn die Hauptrolle in seiner "Elegie für junge Liebende".

Kritiker bemängeln Manierismus

Im Idealfall finden Poesie und Musik in seinem Gesang so harmonisch zusammen, dass die Musikexpertin Karla Höcker den Eindruck hat, in Fischer-Dieskau Dichter, Komponist und Interpret als Einheit zu erleben. Einige Kritiker allerdings bemängeln einen Hang zum Manierismus und einer "wortakzentuierten Überdeutlichkeit", die in ein Eigenlob der Darstellung überzugehen drohe.

Mit einem Silvesterkonzert in der Bayerischen Staatsoper beendet Dietrich Fischer-Dieskau 1992 seine Karriere; die Stimme will nicht mehr so, wie der Sänger will. Seinen künstlerischen Neigungen geht er nun als Rezitator und Dirigent, Autor, Lehrer und Maler nach. Am 18. Mai 2012, wenige Tage vor seinem 87. Geburtstag, stirbt der "Jahrhundertsänger" in seinem Haus in Berg am Starnberger See.

Autor des Hörfunkbeitrags: Thomas Mau
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 18. Mai 2022 an Dietrich Fischer-Dieskau. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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