Uwe Johnson, mit seinem Namen verbinde ich komplizierte Texte, epische Breite, fast schon Langeweile. Man kann Uwe Johnson auch ganz anders lesen, so wie es der Schauspieler Charly Hübner gemacht hat. Er hat, wie er es selbst nennt, einen kleinen Jubeltext geschrieben.
Die Hommage des Schauspielers Hübner an den Schriftsteller Johnson ist mitreißend schön, man spürt hinter jeder Seite die Begeisterung von einem, für den Uwe Johnson der größte Schriftsteller des 20. Jahrhunderts ist. Groß wie Homer, Tolstoi, Proust für ihre Zeiten und Länder. Seine Bewunderung ist ihm kein bisschen unangenehm, es ist eine sehr berührende Werbung für einen, über den die Zeit hinweggegangen zu sein scheint.
Es braucht Geduld und Neugier, schreibt der Schauspieler, um die "Jahrestage" zu lesen und zu verstehen. Fein schreibt Johnson, findet er. Schlau, episch, kompliziert, souverän, arrogant und empfindsam. Und oft voller Humor, leicht und lustig, auch bissig, satirisch, aber niemals zynisch.
"Jahrestage" erzählt die Geschichte der Familie Cresspahl, erstreckt sich über fast vier Jahrzehnte, spielt in New York und in Neustreelitz, der Stadt, in der Charly Hübner geboren wurde und aufgewachsen ist. Weltliteratur aus der Heimat, quasi um die Ecke.
Charly Hübner hat das Hörbuch zu den "Jahrestagen" eingelesen. Es kam, schreibt er, oft vor, dass er dabei aus der Kurve getragen wurde. Weil er zu sicher, zu schnell, zu gekonnt sein wollte. Es war dann jedes Mal, als würde Johnson das Spiel abbrechen und sagen, fang nochmal von vorn an, konzentrier dich. Man kann natürlich auch das Hörbuch hören. Wäre aber fast schade, weil diese schier unbändige Begeisterung des Schauspielers für den Schriftsteller sogar noch besser zu spüren ist, wenn man sein Buch über Uwe Johnson liest.
Eine Rezension von Christine Westermann
Literaturangaben:
Charly Hübner: "Wenn du wüsstest, was ich weiß…". Der Autor meines Lebens.
Eine Hommage an Uwe Johnson, eine Liebeserklärung an das Lesen
Suhrkamp Verlag, 2024
125 Seiten, 20 Euro