Der Autor Alem Grabovac spricht in der Redezeit bei Neugier genügt über sein Buch "Das achte Kind".

Autor im Gespräch

Alem Grabovac über "Die Gemeinheit der Diebe"

Stand: 07.06.2024, 13:26 Uhr

"Was bleibt von einem Leben, das nie gelebt wurde" - diese Frage stellt sich Smilja nach einem langen Arbeitsleben und nach dem Tod ihres Lebensgefährten, der sie 40 Jahre mit seinen Gewaltausbrüchen dominiert hat. Die Antworten bleibt sie sich selbst schuldig.

Smilja hat sich nach vielen arbeitsamen Jahren als Akkordarbeiterin in der Fabrik ein Leben in Frankfurt aufgebaut. Sie kam als junge Gastarbeiterin aus Jugoslawien nach Deutschland. Ihr Sohn Alem wuchs in einer Pflegefamilie auf, denn sie musste arbeiten, um zu überleben.

Nach seinem Roman "Das achte Kind" nähert sich Alem Grabovac seiner Lebensgeschichte aus einer anderen Perspektive. Es ist nicht das Kind, sondern es ist der erwachsene Sohn, der auf das harte Leben seiner Mutter schaut. "Die Gemeinheit der Diebe" ist eine Vertiefung und Fortsetzung seiner Geschichte und der seiner Mutter.

Nach Dusans Tod ist Smiljas Leben eine Baustelle. Sie ist eine starke Frau, sie hat viel geschafft, ist wirtschaftlich unabhängig, wenn auch um den Preis, ihren Sohn in die Pflegefamilie gegeben zu haben. Dennoch hat sie ihr gesamtes Leben in Abhängigkeit von Männern, vor allem von Dusan verbracht, der sie geschlagen und schlecht behandelt hat. Dusan hat sie auch nach ihrem Tod nicht verlassen. Jede Nacht hört sie ihn im Schrank klopfen. Diese Geräusche in ihrem Kopf rauben ihr den Schlaf und die Kraft, neu anzufangen. Sie muss in psychatrische Behandlung, ihr bleibt der Glaube an einen Wunderheiler als Überlebensstrategie.

"Die Gemeinheit der Diebe" erzählt von einem schwierigen Verhältnis zwischen Mutter und Sohn, die nie zusammen gelebt haben. Alem Grabovacs Blick auf das Smiljas Leben ist einerseits distanziert, lässt hinter dem Einzelschicksal die soziale Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland deutlich werden, die ohne Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter nie zu Wohlstand gekommen wäre, sich aber um deren Wohlergehen nicht gekümmert hat.

Andererseits sieht sich Alem Grabobac in der Verantwortung für die Mutter, die ein hartes Leben hinter sich hat, das auch für ihn, den Sohn, nicht ohne Folgen blieb. Es wird am Ende nicht alles gut, doch in seiner ihm eigenen lakonischen Sprache schreibt er mit großer Direktheit und ohne Bitterkeit. Der Roman erzählt die Geschichte seiner Mutter stellvertretend für tausende Gastarbeiterinnen, von denen wir bis heute wenig erfahren haben. Ein sehr persönliches und relevantes Buch.

Eine Rezension von Susanne Wankell

Alem Grabovac über "Die Gemeinheit der Diebe"

WDR 5 Bücher - Autoren im Gespräch 08.06.2024 11:30 Min. Verfügbar bis 07.06.2025 WDR 5


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Literaturangaben:
Alem Grabovac: Die Gemeinheit der Diebe
hanserblau, 2024
240 Seiten, 24 Euro