Zeitzeugen, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben, gibt es immer weniger. Noch dazu haben viele Schwierigkeiten über ihre teilweise traumatischen Erlebnisse zu sprechen. So bleibt die Kriegsgeschichte der Großeltern häufig ein blinder Fleck in der Familiengeschichte. Drei junge Männer aus Osnabrück und Bielefeld wollen da nun gegensteuern. 70 Jahre nach dem 2. Weltkrieg Krieg wollen sie die Geschichten der Zeitzeugen lebendig machen - und zwar in Form einer Graphic Novel, also mit gezeichneten Comics. Am Ende soll daraus ein ganzes Buch entstehen.
Basis: Gespräche mit der Großmutter
Noch stehen die Drei am Anfang: bei der Befragung der ersten Zeitzeugen. Mit Erinnerungen wie diese: "Ich war ein 14-jähriges Mädchen ... Dann haben wir eben am 1. September 39, um 4 Uhr 45, diese Schüsse der Schleswig-Holstein auf die Westerplatte gehört. Davon wurden wir alle wach."
Der Ausbruch des Krieges ist bei Gisela Hardinghaus noch immer präsent. Auch jetzt noch. 75 Jahre danach: "Es war Angst. Aber es war natürlich auch aufregend ..."
Das Schweigen brechen
Menschen, die oft jahrzehntelang geschwiegen haben, zum Sprechen zu bringen, ihre Gefühle schildern zu lassen, um dis dann zu Papier zu bringen, das ist eine große Herausforderung. Schon die Befragung der Zeitzeugen erfordert viel Fingerspitzengefühl - das anschließende Zeichnen natürlich erst recht.
Doch Christian Hardinghaus und seine Mitstreiter machen sich mit viel großer Zuversicht an die Arbeit. Sie wollen die oft verdrängten Erlebnisse wieder lebendig machen. NOCH haben sie die Chance dazu. Denn NOCH gibt es sie: die Omas und Opas, die ihre Geschichten erzählen können:
"Dass ich noch persönlich mit Zeitzeugen sprechen kann, diese Chance muss man nutzen. Man sagt zwar die Geschichte ist erforscht, aber es gibt eben noch soviel, was man einfach nicht weiß. Und das kann man eben auch nur über diese persönlichen Geschichten erfahren."
Comic hilft, Gefühle zu zeigen
Das Projekt Großväterland - das ist Kriegsgeschichte mal ganz anders. Das Besondere dabei: jedes einzelne Schicksal wird zu Papier gebracht. Und zwar als Comic. Strich für Strich. Selbst für den erfahrenen Illustrator Markus Freise ist das gar nicht so einfach. Schließlich geht es nicht um ausgedachte Geschichten. Sondern um echte Schicksale:
"Wir versuchen schon ein Level zu finden, wo wir sagen wir wollen auch in den Bildern nichts beschönigen. Aber auch nicht verteufeln und wir wollen es auch nicht zu grausam darstellen, aber wie gesagt auch nicht beschönigen. Das ist eben so die Gratwanderung, die wir versuchen."
Besonders schwierig ist es, die damaligen Ängste und Sorgen der Zeitzeugen möglichst realitätsnah wiederzugeben.In den Comics geht es jedoch nicht nur um den Kampf der Soldaten an der Front. Sondern auch um die Erfahrungen der Frauen und Kinder - so wie der von Gisela Hardinghaus: "Der eine Bengel, der kam nach Hause in SS-Uniform und erzählte was er für Heldentaten bei dem Krieg vollbracht hätte. Wie sie die Baby enthauptet oder an die Wände geschmissen haben. Das andere mag ich gar nicht erzählen ..."
Finanzierung über Crowdfunding
Lange Zeit war unklar, ob das Projekt überhaupt finanziert werden kann. 14.000 Euro brauchten die Macher. Ein ganzer Batzen Geld, der mit Hilfe eines sogenannten „Crowdfundings“ im Internet gesammelt werden sollte.
Initiator Alex Kahl beschreibt, wie das genau funktioniert:
"Das heißt: viele, viele Menschen bezahlen vorab ein Produkt, was es jetzt noch gar nicht gibt. Nämlich das Buch. Aber durch all das, was wir in der Vorarbeit jetzt schon machen, verstehen die Menschen, wie das spätere Produkt dann aussehen wird und was es beinhalten wird."
Und: Es hat tatsächlich geklappt. 16.000 Euro sind zusammengekommen. Mehr als geplant. Jetzt können die Macher richtig durchstarten. Und mit ihren Comics dafür sorgen, dass die persönlichen Geschichten ihrer Omas und Opas nicht in Vergessenheit geraten. "Großväterland" soll Ende 2015 erscheinen.
Redaktion: Imke Marggraf