Tatvideo im Philippos-Prozess
Lokalzeit OWL. 07.04.2025. 03:15 Min.. Verfügbar bis 07.04.2027. WDR. Von Oliver Köhler.
Totschlag in Bad Oeynhausen: Videos belasten Syrer
Stand: 07.04.2025, 16:39 Uhr
Das Landgericht Bielefeld hat zwei Videos vorgeführt. Sie sollen zeigen, wie Philipos Tsanis im vergangenen Sommer getötet wurde.
Die Szenen auf den beiden Videos wirken verstörend auf die Zuschauer im Gerichtssaal. Zu sehen ist eine Gruppe Jugendlicher, von denen sich zwei prügeln und sich dabei auf dem Boden wälzen. Jungs, die drumherum stehen lachen und feuern einen der Kontrahenten lautstark an.
Dann schwenkt die Kamera plötzlich nach links. Im Hintergrund sind zwei weitere Personen schemenhaft im Dunkeln zu erkennen. Die eine Person scheint wegzulaufen, die andere verfolgt sie. Dann tritt der Verfolger zu. Die andere Person fällt zu Boden. Der Verfolger "wirkt" auf die am Boden liegende Person ein.
Tritte oder Schläge sind nicht eindeutig zu sehen. Aber: Die Person entreißt der anderen eine Tasche. Dann schwenkt die Kamera wieder auf die Prügelei im Vordergrund.
Identifizierung anhand auffälliger Jacke
Der Verfolger im Hintergrund trägt eine orangene Trainingsjacke. So wie der Hauptangeklagte an dem Tatabend. Für den Vorsitzenden Richter scheint klar zu sein: Es handelt sich um das Opfer Philipos Tsanis und den Hauptangeklagten Mwafak Al S.
Auch ein zweites Video mit Nahaufnahmen der Gruppenprügelei belastet ihn. Dort ist zu sehen, wie die Person mit der orangenen Jacke einem Freund von Philipos sein Knie ins Gesicht rammt. In der Hand hält dieser Angreifer die Tasche von Philipos Tsanis, die er ihm zuvor augenscheinlich abgenommen hatte.
Staatsanwalt geht mittlerweile von Mord aus
Auch für den Staatsanwalt ist der Tatablauf anhand der Videos eindeutig belegt. Angeklagt hatte er einen Totschlag. Mittlerweile spricht er von Mord. Aus seiner Sicht ist das Mordmerkmal "Habgier" erfüllt. Er begründet dies mit dem Raub der Tasche.

Staatsanwalt Christoph Mackel
"Vermutlich sei der Angeklagte davon ausgegangen, dass in der Tasche Drogen sind", sagt Staatsanwalt Christoph Mackel im WDR Interview. Denn ausgelöst wurden die Attacken auf Philipos Tsanis und zwei seiner Freunde, weil der Angeklagte bei ihrer zufälligen Begegnung im Kurpark beobachtete, wie die drei jungen Männer Kokain konsumierten. Er habe offensichtlich etwas abhaben wollen.
Angeklagter sagt nichts zu den Videos
Der Angeklagte und auch seine Verteidiger äußerten sich vor Gericht noch nicht zu den neuen Erkenntnissen. Sie wollen erst am nächsten Verhandlungstag (10.04.25), eine Erklärung abgeben. Dann will das Gericht die Beweisaufnahme schließen und die Plädoyers entgegennehmen.
Von den Videos hatte das Gericht erst kürzlich durch Gerüchte erfahren. Der Vorsitzende Richter ließ mehrere Handys beschlagnahmen und durchsuchen. Die Eigentümer der Handys, allesamt Jugendliche, die direkt und indirekt an der Schlägerei beteiligt waren, hatten die Videos geteilt.
Nachdem sie erfuhren, dass Philipos Tsanais zwei Tage nach dem Angriff starb, löschten sie die Aufnahmen. Die Polizei konnte sie auf einem Handy wiederherstellen. Dieses Handy gehörte ausgerechnet einem der Mitangeklagten.
Verfahren gegen Mitangeklagte eingestellt
Mit auf der Anklagebank saßen bis heute (7.4.25) auch zwei 19 und 20 Jahre alte Heranwachsende aus Bad Oeynhausen bzw. Magdeburg. Sie waren am Tatabend mit dem Hauptangeklagten Syrer im Kurpark unterwegs. Sie waren in die Schlägerei mit Philipos Freunden verwickelt.
Einer war wegen Körperverletzung, der andere wegen Körperverletzung und Hehlerei angeklagt. Er sollte etwas aus der Tasche von Philipos genommen und weitergegeben haben. Das Gericht stellte die Verfahren gegen sie nun ein. Der 20-Jährige erhielt eine Ermahnung, der 19-Jährige muss 500 Euro Schmerzensgeld an den Freund von Philipos zahlen, den er verprügelt hatte.
Das Urteil gegen den Hauptangeklagten könnte direkt nach den Osterferien gesprochen werden. Dem 18-jährigen Syrer könnte nach den neuesten Entwicklungen nun sogar eine lebenslange Haftstrafe drohen. Vorausgesetzt das Landgericht Bielefeld sieht in der Tat auch einen Mord.
Unsere Quellen:
- Reporter vor Ort
- Staatsanwalt Christoph Mackel
- Landgericht Bielefeld