Es war ein bewegender Moment, als Merkel am Ende ihres Besuches vor den Haupteingang des Joseph-König-Gymnasiums trat und versuchte, vor mehr als 1.000 Schülern auf dem Schulhof ihre Gefühle in Worte zu fassen. "Eben hat mir ein Mädchen, das sein Geschwister verloren hat, ein kleines Buch gegeben", sagte Merkel. "'Warum?' steht da drauf. Diese Frage nach dem Warum kann ich nicht beantworten, und ich glaube, das kann niemand. Trotzdem plagt sich jeder mit so einer Frage herum. Und eigentlich kann man mit so einer Frage nur zusammen fertig werden."
Ihr Eindruck sei, sagte Merkel weiter, dass das in Haltern versucht werde. "Vielleicht ist Haltern damit auch ein Beispiel geworden, wie man in einer solch fürchterlich traurigen Situation trotzdem Gemeinschaft zeigen kann. Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit diesem schrecklichen Erlebnis einfach weiter auch diese Gemeinschaft leben können."
Gespräche unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Merkel war gegen 11.30 Uhr am Joseph-König-Gymnasium eingetroffen. Dort hatten sie der Schuldirektor Ulrich Wessel, die Schülersprecherin Johanna König, der Bürgermeister der Stadt Haltern, Bodo Klimpel, und die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Syliva Löhrmann in Empfang genommen und zur Gedenktafel für die Opfer der Flugzeugkatastrophe auf dem Schulhof begleitet. Merkel legte eine Blume nieder und ging dann ins Schulgebäude.
Dort fanden dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit Gespräche mit Eltern und Geschwistern, Freunden und Mitschülern statt. Schülersprecherin Johanna König schildert ihren Eindruck von der Kanzlerin: "Ich fand, dass sie ein sehr netter Mensch war, ganz offen und herzlich."
"Die Trauer ist immer noch groß"
Im Vorfeld hatte es auch kritische Stimme gegeben. Der Besuch der Kanzlerin sei sieben Monate nach der Flugzeugkatastrophe viel zu spät, die Kanzlerin hätte früher nach Haltern kommen müssen, meinten Passanten, die das Geschehen auf dem Schulhof vom Straßenrand aus mitverfolgten. Dem widersprach die Schülersprecherin: "Die Trauer ist immer noch groß und die wird auch wohl nie verschwinden. Wir denken noch jeden Tag an die Schüler, und das wird auch immer so bleiben, auch wenn man irgendwie in den Alltag zurückkehren muss", sagte die 16-jährige Johanna König. Es sei gut, dass die Kanzlerin jetzt gekommen sei, als Zeichen der Anteilnahme und der Solidarität.
Zeichen gegen das Vergessen
Das betonte auch Halterns Bürgermeister Bodo Klimpel am Ende des Besuchs von Merkel in Haltern: "Ich weiß nicht, was der optimale Zeitpunkt für diesen Besuch gewesen wäre. Fakt ist: Die Bundeskanzlerin hat Mitte April bei der zentralen Trauerfeier für die Opfer des Flugzeugabsturzes im Kölner Dom den Angehörigen und der Schule versprochen, dass sie nach Haltern kommen wird. Das tut sie jetzt. Das finde ich positiv, das ist ein gutes Zeichen, dass das Unglück und auch das Leid der Angehörigen nicht vergessen ist", sagte Klimpel.
Kanzlerin sagt "Danke"
Nach eineinhalb Stunden verließ die Kanzlerin Haltern mit einem Dank an die Angehörigen, Schüler und Lehrer: "Herzlichen Dank, dass ich heute hier sein durfte." Die Schüler des Joseph-König-Gymnasiums kehrten in ihre Klassen zurück. Regulären Unterricht sollte es an diesem Tag aber nicht mehr geben. Das hatte Schuldirektor Ulrich Wessel veranlasst. "Die Schüler sollen Gelegenheit bekommen, sich über den Besuch der Kanzlerin, über ihre Gefühle auszutauschen." Allen Beteiligten war klar, dass dieser Tag viele Schüler aufwühlen würde. "Die Trauer über den Verlust von 16 Mitschülern und zwei Lehrerinnen ist noch längst nicht überwunden", so der Schuldirektor.