Bereits 2020 hatte die damalige Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel die erste "Nationale Wasserstoffstrategie" (NWS) verabschiedet. Wasserstoff soll absehbar vor allem in der Industrie und im Verkehrsbereich fossile Energieträger ersetzen. Auch überschüssiger Strom soll so gespeichert werden.
Jetzt hat die Ampel-Koalition die Strategie weiterentwickelt und im Bundeskabinett verabschiedet.
Was ist überhaupt Wasserstoff?
Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas. Es kommt auf der Erde vor allem in chemischen Verbindungen vor - wie zum Beispiel in Wasser und Säuren. Das chemische Kürzel für Wasserstoff lautet H2.
Ist Wasserstoff gut für das Klima?
Das hängt maßgeblich von der Art und Weise ab, wie der Wasserstoff produziert wird. Dabei kann nämlich kaum CO2 anfallen oder eben vergleichsweise viel. Je nach technologischem Herstellungspfad und eingesetzter Energie wird Wasserstoff in Deutschland üblicherweise in unterschiedliche Farben eingeteilt.
So spricht man etwa von "grauem" Wasserstoff, wenn bei der Herstellung aus Erdgas das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) entweicht. Wird dabei das freiwerdende Kohlendioxid gespeichert, bezeichnet man ihn als "blau". Wird dabei fester Kohlenstoff gewonnen, wird der Wasserstoff "türkis" genannt. "Grüner" Wasserstoff wiederum ist der Saubermann unter den Wasserstoffen: Er wird aus Ökostrom und damit CO2-neutral hergestellt.
Was hat die Ampel-Koalition jetzt beschlossen?
Bis 2030 soll Deutschland "Leitanbieter für Wasserstofftechnologien" werden. Mit der neuen Wasserstoffstrategie soll in Deutschland doppelt so viel "grüner" Wasserstoff erzeugt werden wie bislang geplant: Statt bisher fünf Gigawatt sollen hierzulande bis 2030 Erzeugungskapazitäten von mindestens zehn Gigawatt entstehen. Derzeit liegt die Kapazität der deutschen Anlagen bei etwa 0,1 Gigawatt.
Außerdem sollen bis 2028 ein deutsches Leitungsnetz von 1.800 Kilometer Länge entstehen - durch Neubau oder den Umbau von Erdgasleitungen. Daneben setzt die Bundesregierung auf Verbindungen zu Nachbarländern: Weitere 4.500 Kilometer sollen in anderen EU-Ländern hinzukommen. Für Deutschland ist besonders die Anbindung an die großen Häfen von Antwerpen und Rotterdam interessant - aber auch zu potenziellen Erzeugungsregionen in Skandinavien, Süd- und Osteuropa oder Nordafrika.
Eine direkte staatliche Förderung für die Erzeugung soll es aber nur für "grünen" Wasserstoff geben.
Die Ampel-Regierung hat sich auch auf den Einsatz von "blauem" Wasserstoff verständigt, gegen anfängliche Widerstände der Grünen. "Blauer" Wasserstoff wird mithilfe von Erdgas erzeugt, in einem Verfahren, bei dem das Kohlendioxid abgespalten und später im Boden gelagert wird, aber nicht in die Atmosphäre gelangen soll.
Unter bestimmten Umständen kann auch "türkiser" und "orangener" Wasserstoff gefördert werden. Für "türkisen" Wasserstoff wird Methan aufgespalten, anfallendes CO2 kann ebenfalls eingelagert werden. Für "orangen" Wasserstoff wird etwa Biogas oder Strom aus der Müllverbrennung verwendet.
Die Pläne sehen auch vor, dass große Mengen an "grünem" Wasserstoff aus anderen Ländern nach Deutschland importiert werden sollen: Bislang wird der Energieträger global allerdings nur in sehr kleinen Mengen gehandelt. Eine Importstrategie will die Bundesregierung noch erarbeiten.
Gibt es Kritik an den Plänen der Ampel-Regierung?
Ja, Umweltverbände sind gegen den Einsatz von "blauem" Wasserstoff. Christiane Averbeck von der Klimaallianz befürchtet eine verlängerte Nutzung des fossilen Erdgases durch die Hintertür. Nur "grüner" Wasserstoff könne "bei der Begrenzung der Erderhitzung helfen". Und Greenpeace warnt vor schwer kalkulierbaren Folgen einer CO2-Speicherung etwa im Meeresboden.
Die Bundesregierung argumentiert, dass noch längere Zeit nicht genügend Wasserstoff zur Verfügung stehen wird, um den Bedarf an dem Energieträger zu decken.
Wo soll Wasserstoff verstärkt eingesetzt werden?
Die Bundesregierung erhofft sich die schnellsten Erfolge durch den Einsatz von Wasserstoff in der Industrie. Über sogenannte Klimaschutzverträge sollen energieintensive Branchen wie die Stahl-, die Glas- oder die Zementindustrie dabei gefördert werden, ihre Produktionsprozesse schrittweise auf grünen Wasserstoff umzustellen.
Gibt es dafür ein Vorzeigeprojekt?
Ja, ein Beispiel ist die geplante Umstellung bei Thyssenkrupp in NRW: Deutschlands größter Stahlkonzern will in Duisburg einen klassischen Hochofen, der viel klimaschädliches Kohlendioxid produziert, durch eine sogenannte Direktreduktionsanlage ersetzen. In der Anlage soll später "grüner" Wasserstoff zum Einsatz kommen.
Nach Beihilfe-Genehmigung der EU-Kommission für das Projekt besucht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch das Duisburger Stahlwerk. Der Bund und das Land NRW wollen Thyssenkrupp mit insgesamt bis zu zwei Milliarden Euro unterstützen.
Gibt es bereits laufende Wasserstoff-Projekte in NRW?
Ja, im Kreis Düren fahren seit 2020 fahren zwei Fahrzeuge der Stadtverwaltung mit dieser Antriebsart. Ein Kommandowagen des Rettungsdienstes tankt ebenfalls H2. Seit Mitte 2022 werden außerdem fünf Wasserstoffbusse im Linienverkehr eingesetzt. Zudem sollen im Kreis bald der erste mit Wasserstoff betriebene Rettungswagen Europas und zwei Wasserstoffzüge der Rurtalbahn unterwegs sein.
In Holzwickede läuft derweil das deutschlandweite Pilotprojekt "H2HoWi": Dort hat der Netzbetreiber Westnetz eine 500 Meter lange Erdgasleitung auf reinen Wasserstoff umgestellt. Ein Wasserstoffkessel sorgt für Wärme in Büros und Montagehallen. Der Heizungs-Prototyp kommt aus Emsdetten. Etwa 2026 soll er serienreif sein.
Ein weiteres Pilotprojekt läuft voraussichtlich noch bis zum Herbst 2023 in Erftstadt: Etwa 100 Privathaushalte und Unternehmen heizen nicht mehr ausschließlich mit Gas, sondern mit einem Gemisch aus 80 Prozent Erdgas und 20 Prozent Wasserstoff. Es wird getestet, wie sich der Wasserstoff in den Erdgasnetzen verhält. Wasserstoff verbrennt im Gegensatz zu Erdgas klimaneutral. Allerdings ist der Brennwert niedriger.