Vonovia legt 60.000 Wohnungen auf Eis 00:25 Min. Verfügbar bis 20.09.2025

Vonovia stoppt Bauprojekte: Alarmstimmung auf dem Wohnungsmarkt

Stand: 20.09.2023, 18:49 Uhr

Weil das Bauen zu teuer geworden ist, legt Deutschlands größter Immobilienkonzern seine Projekte aufs Eis. Auch an anderen Stellen herrscht Zurückhaltung. Dabei werden Wohnungen dringend gebraucht.

Von Christian Wolf

Bauen, bauen, bauen - so lautet eigentlich die Devise, um etwas gegen die Wohnungsnot in vielen Städten zu tun. Doch in der Praxis klappt das im Moment nicht. Immer wieder ist von Bauprojekten zu hören, die auf Eis gelegt werden. Die dringend benötigte Entspannung auf dem Wohnungsmarkt lässt weiter auf sich warten.

Schlechte Nachrichten kommen zum Beispiel von Deutschlands größtem Immobilienkonzern Vonovia. Das Unternehmen aus Bochum hat am Mittwoch angekündigt, dass es vorerst auf den Bau Zehntausender neuer Wohnungen verzichtet. "Bei uns liegen Planungen für insgesamt 60.000 Wohnungen in der Schublade", sagte Vorstandschef Rolf Buch der "Funke Mediengruppe". Das bedeute: "Wir machen alles fertig bis zum Baurecht. Und hoffen, dass sich Bauen bald wieder lohnt und rechnet. Dann wollen wir sofort wieder bauen."

Denn als Grund für die selbstauferlegte Zurückhaltung werden von Vonovia die hohen Zinsen und Baukosten genannt. Sie sorgen angeblich dafür, dass das Bauen zu teuer ist und sich nicht rechnet.

20 statt 10 Euro pro Quadratmeter

Der Schriftzug auf dem Vonovia-Gebäude | Bildquelle: dpa/Marcel Kusch

Eine Sprecherin des Konzerns untermauert das mit Zahlen. So hätten die Baukosten früher bei 3.000 Euro pro Quadratmeter gelegen, heute seien es 5.000 Euro. Die durchschnittliche Miete im Bestand liege bei Vonovia bei rund 7,50 Euro. "Bei uns wohnen viele Menschen mit mittleren oder geringen Einkommen. Deshalb achten wir auch bei Neubauten auf bezahlbare Mieten um die 10 bis 12 Euro."

Doch dieses Niveau sei im Moment nicht zu halten. Wegen der hohen Bau- und Finanzierungskosten lägen die Mieten bei Neubauten im Moment bei 20 Euro pro Quadratmeter. "Das können sich aber viele Menschen nicht mehr leisten", heißt es. Vonovia zieht deshalb Konsequenzen und baut erst einmal nicht.

Kritik an Vonovia

Doch nicht jeder kann das nachvollziehen. Kritik kommt von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Sie wirft dem Konzern vor, mit dem Baustopp die Politik unter Druck setzen zu wollen. "Der Konzern will den Neubau solange auf Eis legen, bis deutlich mehr Fördergelder fließen und sich Mieten munter weiter nach oben schrauben lassen", erklärte IG BAU-Chef Robert Feiger am Mittwoch. Es sei "höchste Zeit", dass der Staat bei Vonovia einsteige und Einfluss auf die Konzernstrategie bekomme. "Auch und vor allem in der Krise muss gebaut werden."

Vonovia ist kein Einzelfall

Dabei decken sich die Zahlen des Bochumer Dax-Konzerns mit den Angaben anderer Wohnungsgesellschaften. Auch sie sagen, dass der Wohnungsbau so teuer geworden sei, dass mit neuen Projekten nur rote Zahlen geschrieben würden. Und auch bei privaten Häuslebauern wird dieser Tage über die hohen Kosten geklagt.

Schon im Sommer sagte Rüdiger Otto, Vizepräsident der NRW-Bauverbände: "Bauen kann sich heute kaum noch jemand leisten." Handwerkspräsident Jörg Dittrich warnt aktuell im "Handelsblatt" davor, Deutschland steuere mit zunehmender Geschwindigkeit auf einen "Crash der Baubranche" zu.

Baugenehmigungen brechen ein

Diese Alarmstimmung wirkt sich ganz konkret aus. So wurden im ersten Halbjahr 2023 fast 33 Prozent weniger Baugenehmigungen für Wohnungen in NRW erteilt als im Vorjahr. Weniger Baugenehmigungen haben zur Folge, dass weniger gebaut und am Ende weniger neue Wohnungen entstehen.

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Und das Minus gibt es im gesamten Land. In jedem der fünf Regierungsbezirke in NRW wurden im ersten Halbjahr deutlich weniger Baugenehmigungen erteilt.

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Mehr Förderung gefordert

Doch was kann getan werden, um die Situation zu entschärfen und die Bedingungen fürs Bauen zu verbessern? Rüdiger Otto von den NRW-Bauverbänden sagte dieser Tage im Interview mit dem Bonner "General-Anzeiger": "Alles, was wir momentan erleben, ist durch die Politik so vorgegeben. Die Fördermaßnahmen sind alle eingeschränkt worden, seither geht der Markt nach unten. Die Förderung muss wieder aufgenommen werden - beispielsweise durch verbilligte Kredite bei Effizienzhäusern."

Der Ball wird also auf die Seite der Politik gespielt und mehr Geld gefordert. Wie die reagiert, ist bislang noch unklar. Das Bundesbauministerium sagt, es werde "intensiv an einem Maßnahmenpaket zur Belebung der Bau- und Immobilienbranche" gearbeitet. Kommende Woche soll es einen Wohnungsbaugipfel mit dem Kanzler geben. Vielleicht gibt es dann schon erste Ergebnisse.

Unsere Quellen:

  • Statistisches Landesamt IT.NRW
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • Funke Mediengruppe
  • General-Anzeiger
  • Handelsblatt
  • IG BAU