Andreas Umland ist Analyst am schwedischen Institut für internationale Angelegenheiten - dort mit Schwerpunkt Osteuropa. Wir haben mit ihm über die Folgen des lautstarken Streits zwischen US-Präsident Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj am Freitagabend im Weißen Haus gesprochen.
WDR: Wie beurteilen Sie, was gestern Abend im Weißen Haus passiert ist?
Andreas Umland: Das ist ein großer Rückschlag für die Ukraine, weil das wohl bleibende Spannungen zwischen dem Weißen Haus und Kiew hinterlassen wird. Dieses Rohstoffabkommen ist nicht unterzeichnet worden. Stattdessen gibt es jetzt eine Polarisierung in den USA um den Besuch und die Diskussion, die sicherlich schlecht ist für die Ukraine.
WDR: Ging es denn im Kern überhaupt um das Rohstoffabkommen? Oder lag noch was anderes in der Luft?
Umland: Man fragt sich wirklich, was das Ganze bedeuten sollte. Das für mich Erstaunlichste ist, dass dieser Verlauf des Gesprächs am Abend zuvor im russischen Staatsfernsehen von einem prominenten Parlamentsabgeordneten vorhergesagt wurde: Oleg Morozow. Also dass es in Beleidigungen für Selenskyj enden würde.
Da fragt man sich wirklich, was hinter diesem ganzen Treffen stand und ob von US-amerikanischer Seite überhaupt geplant war, das Abkommen zu unterschreiben.
WDR: Welche Optionen hat Selenskyj jetzt noch? Muss er auf Putin zugehen?
Umland: Von russischer Seite will man ja nur die Bedingungen der Kapitulation verhandeln. Und die Kapitulation könnte für Selenskyj tatsächlich irgendwann anstehen - in einem Worst-Case-Szenario. Aber soweit sind wir noch nicht. Jetzt stellt sich vor allem die Frage, ob sich die europäischen Länder engagieren.
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Andreas Umland
Die ganz große Frage hinter dem Geplänkel im Weißen Haus ist ja die Integrität des internationalen Sicherheitssystems und des Nichtverbreitungs-Regimes für Atomwaffen. Denn die Ukraine wird jetzt nicht nur von den Atomwaffenstaaten Russland, Nordkorea und China bedrängt, sondern auch von den USA. Das müsste alle motivieren, die am Erhalt des Systems des Atomwaffensperrvertrags interessiert sind.
WDR: Aus Europa gibt es zurzeit viel Zuspruch für Selenskyj. Sind das mehr als reine Solidaritätsbekundungen?
Umland: Die EU hat während der Covid- und der Finanzkrise bewiesen, dass sie kurzfristig größere Beträge für bestimmte strategische Fragen mobilisieren kann. Das steht jetzt, denke ich, erneut an. Das könnte soweit gehen, dass Europa als Unterstützer der Ukraine für die USA einspringen muss. Wenn das nicht passiert, ist das Schicksal der Ukraine besiegelt.
Das Interview führte Andrea Oster.
Das Gespräch aus dem WDR 5-Morgenecho wurde für die Online-Version gekürzt und sprachlich geglättet.