Wann sollte wer die zweite Corona-Booster-Impfung bekommen? Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Ärztinnen und Ärzte in Deutschland orientieren sich dabei vor allem an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko). Wie lauten diese? Was sagt die Stiko zu den Omikron-Impfstoffen? Und welche abweichende Empfehlung gibt es zur vierten Impfung? Fragen und Antworten.
Vierte Impfung für Über-60-Jährige: Was empfiehlt die Stiko genau?
Die Stiko empfiehlt die zweite Booster-Impfung (vierte Impfung) grundsätzlich allen Menschen ab 60 Jahren - und zwar mit einem sogenannten Omikron-Impfstoff. Das gilt aber nur dann generell, wenn der erste Booster (dritte Impfung) oder die letzte Corona-Infektion mindestens sechs Monate zurückliegt. Nur in "begründeten Einzelfällen" könne der Abstand auf vier Monate reduziert werden, sagt das Gremium.
Die Empfehlung gilt aber nicht, wenn man nach der dritten Impfung eine Corona-Infektion hatte. Wer bereits vier "immunologische Ereignisse" hinter sich habe, für den "wird vorerst keine zweite Auffrischimpfung empfohlen", heißt es in den offiziellen Stiko-Empfehlungen im "Epidemiologischen Bulletin". Kleine Einschränkung: Zwischen dem ersten Booster und der nachfolgenden Corona-Erkrankung müssen mindestens drei Monate Abstand sein, sonst gilt die Erkrankung nicht als "immunologisches Ereignis".
Darüber hinaus gilt: Für besonders gefährdete Menschen wie zum Beispiel Hochbetagte könne es Ausnahmen geben, sagt die Stiko.
Für welche Unter-60-Jährigen empfiehlt die Stiko ebenfalls eine vierte Impfung?
Eine Empfehlung, sich ein zweites Mal boostern zu lassen (vierte Impfung), hat die Stiko für folgende Menschen unter 60 Jahren ausgesprochen:
- Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeeinrichtungen
- Menschen mit Immunschwäche (gilt auch für Kinder ab fünf Jahren)
- Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen
- Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen
Auch hier gilt als Voraussetzung, dass man zuvor erst drei "immunologische Ereignisse" hatte. Außerdem sollte auch bei diesen Gruppen der Mindestabstand von sechs Monaten zum letzten Ereignis eingehalten werden, so die Stiko. Ebenso gilt: In begründeten Einzelfällen kann der Abstand auf vier Monate reduziert werden.
Sollte man sich mit einem Omikron-Impfstoff boostern lassen?
Die Stiko hat sich mittlerweile eindeutig dafür ausgesprochen, sich "vorzugsweise" mit einem Corona-Impfstoff boostern zu lassen, der an die Omikron-Unter-Variante angepasst ist. Das gilt nicht nur für den zweiten Booster, also die vierte Impfung. Das gilt auch für den ersten Booster, den die Stiko generell allen Menschen ab zwölf Jahren empfiehlt - und zwar sechs Monate nach der Grundimmunisierung (zweite Impfung).
Derzeit stehen drei sogenannte Omikron-Impfstoffe zur Verfügung (Stand Mitte Oktober):
- Impfstoff von Biontech, der an die Unter-Variante BA.1 angepasst ist
- Impfstoff von Moderna, der an die Unter-Variante BA.1 angepasst ist
- Impfstoff von Biotech, der an die Unter-Varianten BA.4 und BA.5 angepasst ist.
In Deutschland dominiert derzeit die Omikron-Unter-Variante BA.5. Mehr dazu unter diesem Link:
Ist man auch mit älteren Impfstoffen vor der Omikron-Variante geschützt?
Grundsätzlich ja. Auch andere Corona-Impfstoffe bieten einen Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf. Hoch ist der Schutz vor allem dann, wenn man mindstens einmal geboostert ist.
"Auch in der Omikronwelle lässt sich durch die Auffrischimpfung das Risiko für eine Hospitalisierung deutlich senken", so das Robert Koch-Institut (RKI) Ende September in seinem Monatsbericht zu den Impfungen. Das zeige die Zahl der coronabedingten Hospitalisierungen.
Sollten sich auch andere Unter-60-Jährige ein viertes Mal gegen Corona impfen lassen?
Für Menschen unter 60 Jahren spricht die Ständige Impfkommission - bis auf die genannten Ausnahmen - keine generelle Empfehlung aus, sich ein zweites Mal boostern zu lassen. Es sei derzeit auch keine Ausweitung der bestehenden Corona-Impfempfehlungen geplant, sagte der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens am 24.10.22 der Nachrichtenagentur dpa. Dazu gebe es keinen Anlass. "Denn es zeigt sich, dass die Impfung keinen längerfristigen Schutz vor einer Corona-Infektion bietet, allerdings wohl vor einem schweren Verlauf", sagte der Ulmer Virologe.
Jeder werde sich immer mal wieder infizieren. Es sei nicht denkbar, die breite Öffentlichkeit regelmäßig impfen zu lassen, um Infektionen zu vermeiden.
Können sich zu viele Corona-Booster negativ auswirken?
Nach Ansicht der Stiko gibt die derzeitige Studienlage nicht her, dass sich alle Menschen ein viertes oder sogar fünftes Mal impfen lassen sollten - auch obwohl jetzt die sogenannten Omikron-Impfstoffe zur Verfügung stehen. Trotzdem ist es auch als junger und gesunder Mensch erlaubt, sich ein viertes, fünftes oder sechstes Mal gegen Corona impfen zu lassen. Ob sich das auf die eigene Gesundheit negativ auswirken kann, ist in der Fachwelt umstritten.
Nach Ansicht von Immunologe Andreas Thiel gibt es bezüglich mehrerer Corona-Booster keine Studien, die "negative Effekte auf Immunitäten" aufzeigen, wie der Professor von der Berliner Charité im Juli sagte.
"Gesetzt den Fall, dass in ein Immunsystem geimpft wird, dass noch ausreichend geschützt ist, gibt es vielmehr Daten, die zeigen, dass dann gar nicht viel passiert", so Thiel. "Noch vorhandene Antikörper fangen den Impfstoff dann unter Umständen so effizient weg, dass nur eine geringe erneute Aktivierung des immunologischen Gedächtnisses stattfindet."
Auch Professor Onur Boyman, Direktor der Klinik für Immunologie am Universitätsspital Zürich, sagte im Juli, dass mehrere Booster seiner Ansicht nach wohl nicht schadeten: "Eine relevante Zunahme von immunologischen Nebenwirkungen mit jeder Auffrischimpfung ist nicht zu erwarten, was auch durch erste Studien zur vierten Impfung bestätigt werden konnte."
Hingegen warnte Marco Cavaleri von der Europäischen Gesundheitsbehörde EMA im Januar 2022 vor zu vielen Corona-Boostern:
Christine Falk, Immunologin
Was damit genau gemeint ist, erklärte Professorin Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, wenig später im "Spiegel": "B- und T-Zellen bilden etwa nach und nach ein immunologisches Gedächtnis aus. Sie können Krankheitserreger dann langfristig erkennen und unschädlich machen. Grätscht man in diesen Prozess zu oft und zu früh rein, kann er gestört werden", so Falk. "Bei den T-Zellen kann eine Art Erschöpfung eintreten."
Nicht nur das, so Professor Andreas Radbruch vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin: "Wiederholte nutzlose 'blinde' Booster haben mehrere Risiken, selbst wenn das Antikörper-produzierende adaptive Immunsystem gar nicht mehr anspringt", sagte er im Juli. Zum einen komme es auch bei der vierten Impfung oft zu Nebenwirkungen wie etwa Kopfschmerzen. "Das ist zumindest unangenehm."
Zum anderen sei nicht auszuschließen, dass bei einzelnen Geimpften der Körper auch auf andere Inhaltsstoffe des Impfstoffs reagiere als die gewünschten, wodurch "Unverträglichkeiten für zukünftige Impfungen mit ähnlich aufgebauten Impfstoffen" entstehen könnten.
"Zu prüfen wäre auch, ob nicht doch auch Autoimmunerkrankungen entstehen könnten", so Radbruch.
Kann die vierte Corona-Impfung mit der Grippe-Impfung verbunden werden?
Ja. Die vierte Corona-Impfung und die Grippe-Impfung können problemlos miteinander verbunden werden und quasi gleichzeitig erfolgen. So sagt es die Stiko.