Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Mittwoch mit den Länderchefs vereinbart, dass Friseurbetriebe am 1. März unter Auflagen wieder öffnen können - ungeachtet der Lockdown-Verlängerung.
Die Entscheidung für die Wiedereröffnung der Friseure habe "nicht nur mit Hygiene" zu tun, sondern "auch mit Würde", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Die Menschen müssten sich in der Pandemie "selbst wiederfinden" können.
Manche sehen Bevorzugung als Ungerechtigkeit
Bei den Friseuren ist die Freude über die Entscheidung groß. "Dies ist das angemessene Ergebnis für die Ausarbeitung konsequenter Hygienekonzepte und umfangreicher Investitionen in die Salons", sagte zum Beispiel Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf am Donnerstag.
Für andere ist die Sonderbehandlung des Friseurhandwerks eine Ungerechtigkeit. "Wo ist Unterschied, ob 1,5 Stunden beim Friseur oder 15 Minuten Einkauf im Laden?", machte Stefan Genth vom Handelsverband Deutschland seinem Ärger Luft. Diese Entscheidung werde in der Bevölkerung zu noch weniger Akzeptanz der Corona-Maßnahmen führen.
Laschet: Frisuren wichtig für Ältere
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat die Öffnung der Friseurbetriebe noch vor anderen Wirtschaftsbereichen hingegen verteidigt. Gerade für ältere Menschen sei Hilfe bei der Haarpflege von Bedeutung, sagte Laschet am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag.
Dieses Anliegen sei auch Thema von vielen Briefen an die Landesregierung gewesen. Es sei wichtig, wenn die Politik die Nöte und Bedürfnisse von Senioren berücksichtige. Für sie habe Frisuren eine andere Bedeutung als für Jüngere.
"Würde" meint nicht "Menschenwürde"
"Kein Riesenproblem" ist die Friseur-Regelung auch für Professor Stefan Huster von der Ruhr-Universität Bochum. Bezogen auf die Grundrechte sei keine Einschränkung feststellbar. "Im Gegenteil: Es werden dadurch sogar wieder mehr Freiheitsrechte gewährt", sagt er am Donnerstag dem WDR.
Wenn Markus Söder von "Würde" spreche, gehe es dabei nicht um die "Menschwürde" nach Artikel 1 des Grundgesetzes. Es handele sich vielmehr um einen "traditionellen Würdebegriff", so der Jurist, dessen Arbeitsschwerpunkte das Verfassungs- und Gesundheitsrecht sind.
"Es gibt einen sozialen Achtungsanspruch, nicht mit zauseligen Haaren in der Öffentlichkeit auftreten zu müssen." Das habe ein anderes soziales Gewicht als zum Beispiel ein Restaurant- oder Kneipenbesuch.
"Sachlicher Grund" vorhanden
Auch bei der Frage, ob die Friseur-Regelung das Gleichheitsrecht tangiere, gibt Professor Huster aus verfassungsrechtlicher Sicht Entwarnung. "Damit Gleichheitsrechte nicht verletzt werden, braucht es einen sachlichen Grund - eine Entscheidung darf nicht völlig willkürlich sein."
Dieser "sachlichen Grund" sei aus juristischer Sicht gegeben. Denn die Politik habe einen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum: Sie könne unterstellen, dass dem Haarschnitt eine andere soziale Bedeutung zukomme als der Kosmetik oder Nagelpflege - auch wenn dies von Privatpersonen anders gesehen werden könne.
"Es ist nicht auszuschließen, dass andere Dienstleister oder Gewerbetreibende die Friseur-Regelung als gleichheitswidrig angreifen", sagte Jurist Huster. "Ich glaube aber, dass die Regelung von den Gerichten aus den genannten Gründen akzeptiert werden wird."