Seilbahn als Verkehrsmittel der Zukunft? Aktuelle Stunde 04.06.2024 10:19 Min. UT Verfügbar bis 04.06.2026 WDR Von Anke Kutz

ÖPNV: Sind Seilbahnen auch für NRW eine Lösung?

Stand: 04.06.2024, 14:03 Uhr

Sind Seilbahnen das Verkehrsmittel der Zukunft? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Fachmesse "Cable Car World" in Essen. In NRW planen bereits einige Städte Seilbahn-Projekte.

Seilbahnen als Transportmittel kennen die meisten aus dem Urlaub in den Bergen. Inzwischen denken aber auch Städte über Seilbahnen als Alternative zu Bus und Straßenbahn nach. So könnten Pendler über den Dächern der Stadt zur Arbeit, zum Einkaufen oder nach Hause fahren. In Nordrhein-Westfalen verfolgen etwa Duisburg, Herne und Bonn konkrete Pläne.

Hier könnten Seilbahnprojekte entstehen- Grafik | Bildquelle: WDR

Auf der Messe "Cable Car World" in Essen beschäftigen sich am Dienstag und Mittwoch (4. und 5. Juni) Fachleute mit urbanen Seilbahnen für den Nahverkehr. Dominik Berndt, Projektleiter der Messe, ist von den Vorteilen einer Seilbahn überzeugt: "Man braucht keinen Fahrplan und kann geräuscharm schweben." Außerdem sei der Bau einer Seilbahn schnell umzusetzen.

Herne und Duisburg wollen Seilbahnen in neue Stadtviertel

In Duisburg beispielsweise gibt es Pläne für eine Seilbahn mit sieben Stationen vom Hauptbahnhof bis ins neue entstehende Stadtviertel "Sechs Seen Wedau". Ein Projektteam soll die nächsten Schritte planen. In Herne soll eine Seilbahn vom Hauptbahnhof in Wanne-Eickel über eine Strecke von einem Kilometer bis zu einem neuen Technologiezentrum gebaut werden. Oberbürgermeister Frank Dudda glaubt an eine soziale Wirkung: "Viele Studien zeigen, dass man ein anderes Gefühl von Lebensqualität in der Stadt bekommt, wenn man so ein modernes Verkehrsmittel hat."

Ab 2029 sollen die Herner mit der neuen Seilbahn fahren können. Die Stadt will im kommenden November eine finanzielle Förderung beim Bund beantragen. Seit 2022 ist die Förderung von Seilbahnen der von anderen Verkehrsmitteln gleichgesetzt. Der Bund hat außerdem einen Leitfaden für die Städte erstellt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) unterstützt Seilbahnen als alternative Transportmittel:

"Beispiele in dicht besiedelten Regionen der Welt zeigen, dass Seilbahnen ein zuverlässiges, klimafreundliches und platzsparendes Verkehrsmittel sind." Volker Wissing, Bundesverkehrsminister

Wissing spielt dabei auf Städte in Mexiko, Kolumbien und Bolivien an. Im bolivianischen La Paz beispielsweise gehört eine Seilbahn zum öffentlichen Nahverkehr. Verkehrswissenschaftler Jürgen Follmann von der Hochschule Darmstadt verweist darauf, dass es in Südamerika keine Tradition von U-Bahnen und Metros gibt. Außerdem seien Seilbahnen dort praktisch, weil die Landschaft oft sehr hügelig ist. "So sind die Seilbahnen bei denen viel früher ins Gespräch gekommen und sie haben schnell gemerkt, dass sie leicht realisierbar sind."

Seilbahn-Projekt in Bonn: Befürworter und Gegner

Die Seilbahn-Projekte in NRW sind allerdings noch ein gutes Stück von einem Bau entfernt. Neben Duisburg und Herne plant auch Bonn eine Seilbahn. Sie soll über den Rhein führen: Von Ramersdorf auf der rechten Seite bis auf den Venusberg auf der linken Seite. Vor einigen Wochen wurden Anwohnerinnen und Anwohner über die konkreten Pläne informiert. Bei der Veranstaltung hatten die Bonner unterschiedliche Meinungen.

Anliegendenforum Seilbahn: Stadt weitet Angebot deutlich aus Lokalzeit aus Bonn 29.04.2024 23:31 Min. Verfügbar bis 29.04.2026 WDR Von Cedric Hoffmann

Während die einen die Seilbahn als positiv für die Umwelt bewerteten, lehnten andere die Seilbahn genau deshalb ab: weil die Bahn über Naturschutzgebiete führen würde. Gegner kritisieren außerdem den Eingriff ins Stadtbild und die Kosten. Befürworter betonen die Möglichkeit, den öffentlichen Nahverkehr schnell auszubauen. Verkehrswissenschaftler Follmann unterstreicht das: Seilbahnen seien eine gute Möglichkeit, Busse und Bahnen zu ergänzen.

In Bonn sind die Pläne schon sehr weit: Die Streckenführung steht fest. Es stehen aber noch Gutachten aus. Wenn dabei grünes Licht gegeben wird, könnte es vergleichsweise schnell gehen: Die reine Bauzeit soll zwei Jahre dauern.

Verkehrsforscher: Seilbahnen sind Alibi für verfehlte Verkehrspolitik

In Köln gibt es bereits eine Seilbahn über dem Rhein. Sie ist allerdings als Attraktion für Touristen gedacht und nicht in den Nahverkehr integriert. In Zukunft könnte eine Seilbahn als Pendelmöglichkeit über dem Rhein dazukommen. Bislang ist das aber nur eine Idee. Die Stadt entwickelt gerade einen klimaschonenden Mobilitätsplan, der auch andere Ideen wie beispielsweise einen Wasserbus umfasst.

Seilbahnen geben ein Versprechen ab: über den Dächern der Stadt dem Stau auf den Straßen zu entfliehen. Verkehrsforscher Andreas Knie vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung sieht das allerdings kritisch. Seilbahnen seien ein "Alibi für verfehlte Verkehrspolitik", so Knie gegenüber dem WDR. Sie würden dann in die Planung einbezogen, wenn Verantwortlichen die Bereitschaft fehle, den individuellen Autoverkehr einzuschränken.

Unsere Quellen:

  • WDR-Regionalstudios
  • ARD-Hauptstadtstudio
  • Interview mit Verkehrsforscher Andreas Knie
  • Stadt Köln

Über dieses Thema berichten wir im Hörfunk im Tag um zwölf bei WDR 4 und in den Hörfunknachrichten bei WDR 2 und im Fernsehen in WDR aktuell um 21.45 Uhr.

Kommentare zum Thema

  • Carsten DINGENDAHL 05.06.2024, 12:12 Uhr

    Die Idee der Seilbahn ist mit Sicherheit "nett" und gut gemeint und es kann eine Entlastung darstellen. Ich erkenne allerdings zwei grundlegende Schwachpunkte: Die Trassenführung führt dann durch dichtbesiedeltes Gebiet und es müssten für eine effektive Nutzung im Sinne eines ÖPNV Angebotes viele Stationen gebaut werden, ähnlich wie bei einem U-Bahn Netz, mit Umsteigemöglichkeiten zu weiteren Verkehrsträgern. Des weiteren bezweifele ich, ob die Kapazitätsanforderungen insbesondere in den Stoßzeiten erfüllt werden können. Zusätzlich gebe ich zu Bendeken, dass sich die Leute, die gegen Strommasten, Windräder und Co. sind, mit Sicherheit keine Seilbahn über oder an ihrem Grundstück dulden werden, wo dann "jeder" in deren Garten gucken kann. Für mich ist das ein Feigenblattvorschlag, analog zu Lufttaxis. Hier würde ich mich einfach freuen, wenn man realistische Politik macht, sprich schreiben sie endlich U-Bahn / Straßenbahnlinien aus, mit einem Takt von 10min 5-23h und dazwischen 15min.

  • Michael Mettelsiefen 04.06.2024, 23:54 Uhr

    Bei uns in Wuppertal gibt es die Schwebebahn, die von Vohwinkel bis Oberbarmen fährt. Wenn ganz Wuppertal von Anfang bis Ende der Talsohle eine Verbindung, also bis zur Grenze Schwelm gäbe, währe das Tal abgedeckt. Für die Höhen von Wuppertal fände ich statt Seilbahnen, ein geschlossens Netz mit Wasserstoff betriebenen Bussen, die bessere Alternative. Wuppertal liegt, wie der Name schon vermuten läßt, im Tal. Die Aussenbezierke könnten mit Seilbahnen nicht abgedeckt werden. Darum ist ein vernünftiges Verkehrsnetz mit den Wasserstoffbussen sinnvoller.

  • Vielleser 04.06.2024, 23:07 Uhr

    Hatten die Wuppertaler und die Siegener das nicht auch vor? Die Gegenwehr war aber wohl zu stark.