Leben an Bochumer Bahnhofsbaustelle: „Aktuell ist es hier viel ruhiger"

Stand: 22.04.2025, 09:08 Uhr

Zwei Monate war Bochum vom Bahnverkehr abgeschnitten wegen Arbeiten an den Gleisen und Weichen. Die Baustelle am Wattenscheider Bahnhof bleibt noch. Das gefällt nicht allen.

Von Johannes Hoppe

Es ist laut an der Ritterstraße in Wattenscheid. LKW transportieren hier tonnenweise Sand und Schutt. Ferhat, ein Mann mit einem bunten Hoodie, der Kapuze auf dem Kopf und einem langen dunklen Bart, geht gerade mit seinem Hund spazieren. Er wohnt zwei Straßen weiter, an einer Querstraße der Ritterstraße, genau zwischen der Bahnstrecke und der A40 in einem Mehrfamilienhaus. Seit zehn Jahren, sagt er.

Man gewöhnt sich an die Geräusche. Ich kann ohne die schon gar nicht mehr einschlafen. Ich habe auch noch die Feuerwehr nebenan. Ferhat, Anwohner

Dass hier fast zwei Monate keine Züge gefahren sind und an den Gleisen gearbeitet wurde, hat er nur durchs tägliche Gassigehen erfahren, erzählt Ferhat weiter. Er fahre nicht mit dem Zug. Und dabei passiert hier in Wattenscheid aktuell extrem viel. Die Bahn hat hier ihre Gleise ausgetauscht und die Strecke für den RRX ausgebaut. Außerdem entsteht so langsam ein ganz neues Bahnhofsquartier mit etwa 30 Hektar Wohn- und Gewerbeflächen.

Aufwertung auf Kosten des "Grüns"

Erster Schritt des neuen Quartiers ist ein 30 Meter langer Tunnel unterhalb der Schienen zur Ritterstraße für gut sechs Millionen Euro. Viele Anwohner aus den großen Wohnhäusern direkt gegenüber des Bahnhofs hätten sich beschwert, sagt Ingeborg Kohlleppel. Wegen des Tunnels sei ein kleiner Wald verschwunden. Der sei in den vergangenen Jahren aber immer mehr zugemüllt worden, sagt die Frau mit der Brille. Den Tunnel hält sie für unnötig.

Über Sinn und Unsinn

Ingeborg Kohlleppel selbst schneidet gerade mit ihrem Sohn an der Böschung hoch zu den Gleisen einen Baum. Sie lebt seit mehr als 40 Jahren in einem Einfamilienhaus an der Ritterstraße, direkt an den Gleisen und der Brücke, durch die man zum Eingang des Wattenscheider Bahnhofs gelangt. Dass hier in den vergangenen zwei Monaten fast elf Kilometer Schiene erneuert wurden, habe sie kaum mitbekommen. Ehrlicherweise sei sie insgesamt sogar froh über die Baumaßnahmen, auch wenn sie das kleine Wäldchen schon etwas vermisst.

Normalerweise rasen hier LKW und Autos durch. Aktuell ist es hier viel ruhiger. Ich komme viel besser über die Straße. Ingeborg Kohlleppel, Anwohnerin

Dass die Stadt Bochum im Zuge der Bahnbauarbeiten jetzt ein neues Wohnquartier umsetze, sieht sie als Chance. Auch den Ausbau der Bahnstrecke hält sie für sinnvoll.

Peter Oehme will von all dem nichts wissen. Der Mann mit der Halbglatze hat einen orangefarbenenen Ballwerfer für seinen kleinen Hund in der Hand. Er sagt, dass er seit 42 Jahren hier im Hochaus an der Ritterstraße wohnt. Ihn ärgert der ganze Plan.

Lächerlich. Schade dass Natur zerstört wird für Projekte, die keiner braucht. Seitdem ich hier lebe, gab es im Bahnhof Wattenscheid noch nie eine öffentliche Toilette. Wie wär's mal damit? Peter Oehme, Anwohner
Peter Oehme lebt seit mehr als 40 Jahren direkt am Wattenscheider Bahnhof | Bildquelle: Johannes Hoppe

Im Zuge des neuen Bahnhofsquartiers dürfte die Toilette wohl kommen. Schließlich soll laut Stadt Bochum nicht nur das Umfeld des Bahnhfos, sondern auch das Gebäude selbst modernisiert werden. Dort wo Peter Oehme jetzt wohnt, sollen Geschäfte und Wohnungen entstehen. Zusätzlich soll weniger Verkehr unterwegs sein. Wann das tatsächlich so sein wird, ist noch unklar.

Keine Anwohnerbeschwerden

Vom Ausbau der Bahnstrecke hat Peter Oehme kaum etwas mitbekommen. Das störe ihn nicht. Insgesamt hat die Deutsche Bahn auf Bochumer Stadtgebiet an mehreren Stellen gearbeitet, beispielsweise auch direkt am Hauptbahnhof im Bereich der Wittener Straße und dem Bahnhof Ehrenfeld. Dort sind überwiegend Firmen und ein Kleingartenverein in unmittelbarer Nähe der Gleise.

Ärger gab es da wohl nicht. Das berichtet zumindest der Bahnkonzern auf Anfrage des WDR: "Etwaige Beschwerden von Anwohnenden entlang der Strecke haben die DB nicht erreicht. Die Bahnstrecke wird am kommenden Freitag wahrscheinlich planmäßig freigegeben."

Hauptsache der Laden läuft

Der Wattenscheider Bahnhof hat die besten Tage hinter sich. Hier hat Loay Brahim seinen Kiosk | Bildquelle: Johannes Hoppe

Darauf hofft Kioskbetreiber Loay Brahim sehnsüchtig. Seit Beginn der Baustelle Ende Februar hat er kaum Kundschaft, erzählt er, während er eine Zigarette in einem silbernen, runden Aschenbecher ausdrückt. Er hat sogar schon versucht von der Stadt Bochum eine Mietminderung zu bekommen. Allerdings ohne Erfolg.

Ich bin froh, wenn die Baustelle endlich weg ist. Ich habe fast 90 Prozent Einbußen. Das Einzige, was ich im Moment verkaufe, sind Zigaretten. Loay Brahim, Kioskbetreiber im Wattenscheider Bahnhof

Auf die Frage, was er von der Modernisierung des Bahnhofs halte und dem geplanten Quartier, reagiert er ziemlich emotionslos. Wer weiß, ob es seinen Kiosk dann überhaupt noch gebe. Denn die Deutsche Bahn hat schon angekündigt, dass vom 5. September bis 31. Oktober wieder zwischen Essen und Dortmund, also auch in Bochum, gebaut wird. Details will der Bahnkonzern noch kommunizieren.

Unsere Quellen:

  • Reporter vor Ort
  • Anwohner Ritterstraße Bochum-Wattenscheid
  • Stadt Bochum
  • Deutsche Bahn