Polizist äußert sich zu Dramé-Prozess

Aktuelle Stunde 04.07.2024 29:26 Min. UT Verfügbar bis 04.07.2026 WDR Von Catherine Jaspard

Tödliche Polizeischüsse auf Mouhamed Dramé: Die Perspektive des Schützen

Stand: 04.07.2024, 11:58 Uhr

Fabian S. ist der Polizist, der bei einem Einsatz in Dortmund vor fast zwei Jahren auf Mouhamed Dramé geschossen und den jungen Senegalesen getötet hat. Er bereut die Schüsse nicht. Wir haben mit ihm gesprochen.

Von Christof Voigt und Catherine Jaspard

Eine Stunde lang konnten wir für den WDR-Lokalzeit- Podcast "Mouhamed Dramé – Wenn die Polizei tötet" mit dem 30-jährigen Polizisten, der zurzeit vom Dienst suspendiert ist, reden. Das Gespräch haben wir im Beisein seines Verteidigers Christoph Krekeler geführt. Der hat unser Gespräch nicht unterbrochen und alle Antworten seines Mandanten Fabian S. freigegeben. Das ist den beiden wichtig, weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt.

Der Lokalzeit-Podcast "Mouhamed Dramé – Wenn die Polizei tötet"

Zeichnung: Fabian S. bei der Begrüßung mit WDR-Reporterin Catherine Jaspard

Zeichnung: Fabian S. bei der Begrüßung mit WDR-Reporterin Catherine Jaspard

Neben Fabian S. müssen sich vier weitere Dortmunder Polizisten seit Dezember 2023 für den Polizeieinsatz am 08.08.2022 im Innenhof einer Jugendeinrichtung vor Gericht verantworten. Fabian S. ist wegen Totschlags angeklagt. Wir treffen ihn und seinen Verteidiger im Anwaltszimmer im Erdgeschoss des Dortmunder Landgerichts.

Immer wieder muss Fabian S. an den tödlichen Einsatz denken

Fabian S. sagt, dass er jeden Tag an den Einsatz im Sommer 2022 denkt, auch an Mouhamed: "Das ist der Mensch, den man getötet hat. Also, man fragt sich auch nach so langer Zeit immer noch, hätte man persönlich anders handeln können." Und was hätte er persönlich anders machen können? Fabian S. holt tief Luft: "Zum Beispiel, was ja man jetzt auch oft hört: hätte man die Situation nicht so belassen können, wie sie war? Was wäre dann passiert? Hätte er da noch eine Stunde gesessen, das Messer irgendwann von selber fallen lassen? Hätte er sich das Messer doch plötzlich in den Bauch gerammt? Das weiß man halt einfach nicht."

Aber die Situation bleibt nicht, wie sie ist. Eine jetzt mitangeklagte Polizistin besprüht Mouhamed Dramé mit Pfefferspray, der reagiert darauf, steht auf und bewegt sich in Richtung der Polizisten. Diesen Moment habe Fabian S. als lebensbedrohlich empfunden, für sich und die anderen Polizistinnen und Polizisten: "Also über die Gefährlichkeit von Messern muss ich nichts sagen. Man kann den Leuten nicht in den Kopf gucken. Man weiß nicht, wieso er jetzt auf mich zuläuft. Macht er das, um mich zu verletzen? Und da muss man im Zweifel erst mal von ausgehen. Ansonsten wäre es ein Pokerspiel gewesen. Und der Einsatz wäre halt das Leben von meinen Kollegen und mir gewesen."

Fall Mouhamed Dramé: Die Perspektive des Schützen

WDR Studios NRW 04.07.2024 00:39 Min. Verfügbar bis 04.07.2026 WDR Online


Und als er nicht stehengeblieben ist und fast direkt, also sehr nah bei der Kollegin war, habe ich abgedrückt. Fabian S.

Und wieso hat er sechsmal geschossen? Fabian S.: "Weil es so lange gedauert hat, bis er zum Stillstand gekommen ist."

Fabian S. (verdeckt sein Gesicht mit einem Blatt Papier) mit seinem Anwalt Christoph Krekeler und WDR-Reporterin Catherine Jaspard

Fabian S. stellt sich den Fragen

Während des Einsatzes habe er sich auf seinen Vorgesetzten verlassen und die Vorgehensweise nicht hinterfragt. Fabian S. macht im Gespräch mit uns einen konzentrierten Eindruck. Weicht den Fragen nicht aus und sucht immer wieder Blickkontakt zu uns.

Die Frage, ob er die Schüsse bereut, beantwortet er nach kurzem Überlegen mit einem klaren Nein: "Es tut mir leid, aber ich bereue es nicht, dass ich so gehandelt habe. Weil, wie gesagt, die Alternative wäre möglicherweise schlimmer gewesen. Und meine Aufgabe war es, die Kollegen zu schützen. Im besten Fall hätte ich gar nichts gemacht. Das hätte ich mir gewünscht. Aber ich glaube, in der Situation blieb mir gar nichts anderes mehr übrig."

Rassismus-Vorwürfe gegen die Polizei tun weh

Sowohl Mouhamed Dramés Familie, als auch viele Aktivisten, die sich gegen Polizeigewalt engagieren, werfen der Polizei bei diesem Einsatz Rassismus vor. Was sagt Fabian S. dazu? Der Vorwurf tue ihm weh: "Also das Letzte, worüber man in diesem Moment nachdenkt, ist welche Hautfarbe hat der, der gerade mit dem Messer auf mich zuläuft. Das ist überhaupt kein Punkt. Ich meine von mir behaupten zu können, dass ich gerade in der Nordstadt bei der Arbeit jeden immer gleich behandle. Und deswegen tut dieser Vorwurf so weh, weil ich mir denke: Okay, ich gebe mir wirklich so viel Mühe, immer jeden fair zu behandeln."

Auge in Auge mit Mouhameds Brüdern vor Gericht

Zwei Brüder von Mouhamed, Sidy und Lassana Dramé, verfolgen den laufenden Prozess am Dortmunder Landgericht seit Anfang des Jahres. Ihnen sitzt Fabian S. während der Verhandlungstage direkt gegenüber, hat den beiden im Rahmen seiner Aussage vor Gericht auch schon sein Mitgefühl ausgedrückt, sie namentlich angesprochen, unter Tränen: "Also man überlegt sich vorher, was einem wichtig ist, was man sagen möchte. Letztendlich sagt man aber das, was man in dem Moment denkt. Ich will mir nicht vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn man auf diese Art und Weise ein Familienmitglied verliert."

Hauptangeklagter schirmt sein Gesicht mit Mappe vor Kameras ab

Fabian S. sitzt im Gericht den Brüdern Dramés gegenüber

Und Fabian S. hofft: "Dass am Ende des Tages irgendwie alle auf ihre Art und Weise damit abschließen können und mehr oder weniger ihren Frieden damit machen können. Ich weiß, dass das natürlich für die Familie, vielleicht werden sie das niemals können. Aber die Frage war ja, was ich mir wünsche. Das würde ich mir wünschen: dass es am Ende vielleicht nicht mehr so viel böses Blut gibt." 

Das ganze Interview im Podcast "Mouhamed Dramé - Wenn die Polizei tötet"

Aus seiner Perspektive erzählt uns Fabian S., ganz genau wie er den Einsatz am 8. August 2022 in der Dortmunder Nordstadt erlebt hat, wie er damit umgeht, einen Menschen getötet zu haben, wie er das laufende Verfahren am Dortmunder Landgericht, einen der größten Prozesse gegen Polizeibeamte in der Geschichte der Bundesrepublik, wahrnimmt und wieviel Sorgen er sich über eine mögliche Verurteilung macht. Alles zu hören im neuen Lokalzeit-Podcast "Mouhamed Dramé - Wenn die Polizei tötet". Im Podcast sind auch andere Stimmen und Perspektiven rund um diesen Fall zu hören, von NRW-Innenminister Herbert Reul bis zu den Eltern des getöteten Mouhamed Dramé aus dem Senegal.

Unsere Quellen:

  • Gespräch mit Fabian S.
  • WDR-Recherchen