Tiny Houses für Obdachlose in Gelsenkirchen Lokalzeit Ruhr 14.04.2025 02:29 Min. Verfügbar bis 14.04.2027 WDR

Gelsenkirchen: Tiny Houses als Weg aus der Obdachlosigkeit

Stand: 18.04.2025, 06:00 Uhr

Arbeitslose Jugendliche haben in Gelsenkirchen kleine Häuser gebaut. Hier sollen Obdachlose ein Zuhause finden.

Von Solveig Bader

Claudio Schenk steht noch etwas verunsichert vor seinem neuen Zuhause in Gelsenkirchen-Hassel. "Ist noch etwas ungewohnt, aber besser als auf der Straße leben", sagt der 47-Jährige. Gleich zieht er in eines der vier nagelneuen Tiny Houses ein, die speziell für obdachlose Menschen gebaut wurden: schicke Holzhäuschen in warmem Schwedenrot, mit festem Fundament und großen Fenstern.

Neuanfang nach 15 Jahren ohne Wohnsitz

Jetzt ist es offiziell: Bauleiter Matthias Scharnetzky übergibt ihm Schlüssel und Mietvertrag. Claudio Schenk öffnet die Tür und steht in seinem neuen Reich. 14 Quadratmeter Wohnraum mit Laminatboden, weißer Küchenzeile und großem Bad mit Dusche. Kein Luxus, aber für den ehemaligen Obdachlosen ist das schon mehr als das.

Die letzten beiden Jahre seien heftig gewesen. Bei Wind und Wetter habe er draußen geschlafen, häufig auf Baustellen. "Viele Jahre lang war ich drogenabhängig, habe eine Therapie gemacht. Bis jetzt bin ich sauber, aber ich habe so viel konsumiert, dass ich kurz vor dem Tod war", erzählt der hagere Mann mit dünnem Haar, er sieht gezeichnet aus von seiner Vergangenheit. Mehr als 300 Menschen leben in Gelsenkirchen auf der Straße, die Dunkelziffer wird deutlich höher geschätzt.

Arbeitslose Jugendliche haben Tiny Houses gebaut

Bauträger der Minihäuschen für Obdachlose ist die Katholische Jugendsozialarbeit Gelsenkirchen. Im Rahmen des Projektes "Förderkorb" haben arbeitslose Jugendliche die Tiny Houses errichtet. Eine Maßnahme, um sie wieder an ein geregeltes Arbeitsleben zu gewöhnen, ihnen Struktur im Alltag zu geben und sie bestenfalls in eine Ausbildung zu bringen.

Emrecan Tatoglu hat beim Bauen viel gelernt | Bildquelle: WDR/ Solveig Bader

Der 22-jährige Emrecan Tatoglu schüttet Erde in eine Schubkarre, die Zuwege sind noch nicht ganz fertig. "Mir gefällt die körperliche Arbeit", sagt er. Eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann habe er angefangen, aber wieder abgebrochen. "War nicht so meins", gibt er zu. Durch das Projekt hat er unter Anleitung von Fachkräften unterschiedliche Gewerke kennengelernt: Schreinern, Zimmern und Trockenbau.

Neue Bleibe als Übergang oder für die Zukunft

In den nächsten Wochen werden drei weitere Männer einziehen, die auf der Straße gelebt haben. Sozialarbeiter der Caritas Gelsenkirchen haben sie im betreuten Wohnen auf das neue Leben in eigenen vier Wänden vorbereitet. Sie werden weiterhin begleitet, auch von der Stadt Gelsenkirchen, die in engem Austausch mit der Caritas steht.

Die Häuser werden nach langer Zeit endlich ein eigenes Zuhause sein | Bildquelle: WDR/ Solveig Bader

"Unsere größte Sorge ist, dass sie einsam sind und wieder zur Flasche greifen", sagt Henryk Münzer, Sozialarbeiter bei der Caritas. Denn sonst würden sie sich in der Obdachlosenszene treffen oder in den Anlaufstellen der Obdachlosenhilfe. Um Einsamkeit vorzubeugen, sollen regelmäßige Austausch-Treffen stattfinden. Auch nebenan in der Kirche Sankt Michael finden die neuen Bewohner Ansprechpartner, und sie können sich in der Kleiderkammer mit dem Nötigsten versorgen.

Unbefristeter Mietvertrag bietet Perspektive

Claudio Schenk freut sich auf sein neues Zuhause: Endlich eine dauerhafte Perspektive, der Mietvertrag ist nämlich unbefristet. Und er will endlich wieder kochen. "Am liebsten esse ich Aufläufe", sagt er. Noch bekommt er Bürgergeld. Mit fester Wohnadresse sei es hoffentlich leichter, wieder Arbeit zu finden. Eine Umschulung zum Maler und Lackierer könne er sich vorstellen. Wenn dieses Projekt gelingt, will die Stadt Gelsenkirchen weitere Tiny Houses für Obdachlose bauen.

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporterin vor Ort
  • Caritas Gelsenkirchen
  • Katholische Jugendsozialarbeit Gelsenkirchen (KJS)