Niederkrüchten und seine Erfolgsgeschichte bei der Migration

Stand: 24.10.2024, 17:35 Uhr

In Leipzig beraten die Regierungschefs der Bundesländer bei der Ministerpräsidentenkonferenz noch bis Freitag über aktuelle Herausforderungen - darunter auch Migration. Ein Thema, das die Kommunen schon lange beschäftigt und teilweise auch vor große Probleme stellt.

Von Hanna Makowka

Das hat auch Karl-Heinz Wassong erlebt. Er ist parteiloser Bürgermeister der Gemeinde Niederkrüchten am Niederrhein. Im März 2023 waren seine Mitarbeiter und er am Limit. "Ich habe die teilweise nach Hause schicken müssen, weil es nicht mehr ging", erinnert sich Wassong heute zurück. Zu viele geflüchtete Menschen, die der Gemeinde leben sollten und viel zu wenig Platz. "Ich habe nächtelang nicht geschlafen."

"Wir wussten teilweise am Montagmorgen nicht, wo wir am Dienstag die Menschen unterbringen." Karl-Heinz Wassong, Bürgermeister Niederkrüchten

Zu diesem Zeitpunkt, etwa ein Jahr nach Beginn des Krieges in der Ukraine, waren nach Angaben des Landes rund 225.000 Flüchtlinge aus der Ukraine nach NRW gekommen. Viele Gemeinden fühlten sich mit der Aufnahme von Flüchtlingen allein gelassen.

Niederkrüchtens Lösung: dezentrale Unterbringung

Niederkrüchtens Bürgermeister Wassong. | Bildquelle: WDR/Hanna Makowka

Von rund 530 Plätzen für Geflüchtete in Niederkrüchten sind aktuell 80 frei. Mittlerweile hat sich die Lage in der Gemeinde deutlich entspannt. Das liegt auch daran, dass aktuell weniger Geflüchtete ankommen. Aber nicht nur. Denn die Gemeinde hat auf verschiedenen Wegen daran gearbeitet, eine Lösung zu finden: Im Rathaus wurde Personal aufgestockt, ein Sozialarbeiter und mehrere Hausmeister wurden eingestellt, Häuser gekauft, Wohnungen gemietet und 30 Chalets gekauft.

Ein wichtiger Punkt in der Niederkrüchtener Lösung ist die dezentrale Unterbringung von Menschen. Heißt konkret: Im Gemeindegebiet verteilt gibt es statt wenigen großen Unterkünften mehrere kleinere Orte, an denen die Geflüchteten leben. "Letztes Jahr hatten wir eine Situation, da waren die Menschen mit fast 70 Menschen in einer alten Schule untergebracht", so Bürgermeister Wassong. "Das ist nicht gut für die Menschen."

"Wir spielen jeden Tag Tetris"

Sozialarbeiter Riskes vor sogenannten Chalets. | Bildquelle: WDR/Hanna Makowka

Wie es jetzt in den kleineren Unterkünften läuft, weiß Sozialarbeiter Niels Riskes. "Es ist natürlich weniger konfliktreich, wenn weniger Menschen hier wohnen." Dadurch hätte sich die Stimmung unter den Geflüchteten verbessert, aber auch die Akzeptanz in der Bevölkerung - "denn wir haben nicht mehr solche Hotspots und haben das entzerrt", meint Riskes. Die Chalets erinnern an "Mobile Homes", die man beispielsweise auf Campingplätzen im Urlaub mieten kann. In einem Chalet wohnen konkret zwischen vier und sechs Personen. Innen gibt es mehrere Schlafzimmer, einen gemeinsamen Wohnbereich, eine geteilte Küche, eine Dusche und ein WC.

Aber nicht nur die Größe und Kapazität der Unterkünfte seien entscheidend. "Wir spielen jeden Tag Tetris hier", erklärt Riskes. Er achte darauf, dass die Menschen und Familien, die zusammenpassen, gemeinsam untergebracht werden. "Wenn wir zwei alleinerziehende Mütter haben, bei denen Alter und Herkunft passen, würden die beispielsweise zusammen in eine Unterbringung einziehen."

Kleine Gemeinde mit viel Möglichkeiten

Mohammad Ali Farzam in Niederkrüchten. | Bildquelle: WDR/Hanna Makowka

Einer von rund 450 Geflüchteten, die aktuell hier leben, ist Mohammad Ali Farzam. Der 29-Jährige ist aus Afghanistan geflüchtet. Bevor er vor einem Jahr nach Niederkrüchten kam, hat er einige Monate in Essen und Viersen gelebt. In Viersen hat er mit elf anderen Männern in einem Zimmer gewohnt. Jetzt teilt er sich seine Unterkunft mit Küche und Badezimmer nur mit drei Mitbewohnern. "Obwohl das größere Städte waren, gibt es hier in Niederkrüchten mehr Möglichkeiten", erzählt er.

Farzam ist gelernter ITler. Über die Gemeinde war er gerade in einem Betrieb in Mönchengladbach zum Probearbeiten. Auch Deutsch lernt der gebürtige Afghane gerade - das Level B1 hat er schon in der Tasche, jetzt soll es mit B2 weitergehen. Und dabei wird ihm die Gemeinde weiterhin unterstützend zur Seite stehen.

Unsere Quellen:

  • Interview mit Bürgermeister Wassong
  • Interview mit Sozialarbeiter Riskes
  • Interview mit Mohammad Ali Farzam