Die Digitale Patientenakte kommt 2025: Was muss ich wissen?

Stand: 30.09.2024, 19:03 Uhr

Die Tonnen Papierakten in den Lagern von Krankenkassen sollen in Zukunft für Patienten und behandelnde Ärzte digital verfügbar sein. 2025 wird die elektronische Patientenakte in Deutschland eingeführt. Was bringt die Akte Patienten und welche Nachteile hat sie?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verspricht eine "Aufholjagd" bei der Digitalisierung und hofft darauf, dass ab 2025 rund 80 Prozent der gesetzlich Versicherten über eine elektronische Patientenakte verfügen. Er will mit der elektronischen Patientenakte (ePa) teure Doppelbehandlungen und gefährliche Wechselwirkungen von Medikamenten verhindern.

Kritiker fordern eine aktive Zustimmung der Patienten als Voraussetzung und befürchten Nachteile für Patienten durch die Aufnahme sensibler Daten wie psychischer Erkrankungen oder sexuell übertragbarer Infektionen. Zudem sei die Sicherheit der Daten nicht gut genug. Lauterbach konterte heute: "Der Datenschutz und die Datensicherheit waren uns zu jedem Zeitpunkt das wichtigste Anliegen. Alles was wir hier machen setzt voraus, dass die Datensicherheit gewährleistet ist." Die Patienten würden zu jedem Zeitpunkt "die Herren ihrer Daten" bleiben. Zudem sieht er in der Nutzung der Akte nicht nur Vorteile für Behandlung und Forschung sondern auch für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Gesundheitsbereich.

Was muss ich tun, wenn ich die ePA möchte?

Bereits seit 2021 kann jeder Versicherte bei seiner Krankenkasse eine elektronische Patientenakte beantragen. Automatisch bekommen Versicherte die elektronische Patientenakte erst ab Januar 2025 zunächst in ausgewählten Modellregionen. Mitte Februar soll die ePA bundesweit verfügbar sein.

Ist ein Widerspruch möglich?

Ja, Widersprüche sind digital und per Anruf bei den gesetzlichen Krankenkassen möglich. Bei einem Widerspruch, wird die Akte nicht angelegt oder nachträglich gelöscht. Privat Versicherte bekommen die Akte nicht automatisch, sondern erst wenn sie eine Erlaubnis erteilen. Private Kassen müssen ihren Patienten die ePA nicht anbieten. Patienten müssen einer Datenfreigabe nicht aktiv zustimmen, um eine elektronische Patientenakte zu bekommen.

Patientenschützer haben deshalb Bedenken, weil Patienten schlicht vergessen könnten, die Datenfreigabe abzulehnen. Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber kritisiert zudem, dass Patienten mit der Frage, welche Daten nun beschränkt werden sollten, unter Zeitdruck überfordert sein könnten.

Welche Vorteile hat die Akte?

Behandelnde Ärzte können alle medizinischen Informationen, die jemals über den Patienten von Arztpraxen, Krankenhäusern, Apotheken und anderen Gesundheitseinrichtungen gesammelt wurden einsehen. Ärzte sollen sich so einen schnellen Überblick über die Krankengeschichte machen können. Befunde, verschriebene Medikamente, Röntgendaten und Impfdaten sind schnell einsehbar. In einem Notfall kann das helfen, um zum Beispiel gefährliche Wechselwirkungen mit Medikamenten zu vermeiden.

Aber auch bei Haus- und Fachärzten können Doppeluntersuchungen vermieden werden, was zu einer Entlastung von Ärzten und Patienten führen kann. Behandlungen sollen so effektiver, schneller und kostengünstiger durchgeführt werden können. Bisher wird in Deutschen Praxen und Kliniken noch immer gemailt, gefaxt und gedruckt. Durch das E-Rezept kam dieses Jahr bereits Schwung in die Digitalisierung im Gesundheitssystem. Nun sollen auch zeitraubende Telefonate wegen Vorbefunden des Patienten wegfallen.

Für wen sind die medizinischen Daten einsehbar?

Einblick in die freigegebenen medizinischen Informationen der Akte erhalten Personen, die einen elektronischen Heilberufsausweis haben im Krankheitsfall des Patienten automatisch für 90 Tage lang. Den Heilberufsausweis haben Ärzte, Apotheker, Pflegepersonal, Praxen oder Krankenhäuser. Patienten können jederzeit ihre medizinischen Daten einsehen, einfügen, löschen, verbergen, Zugriffsrechte erteilen oder beschränken und nachträglich Widersprüche einlegen. Dafür müssen sich die Patienten bei ihren Krankenkassen erkundigen, wie sie das genau umsetzen können.

Das Bild zeigt eine Grafik, Medical Record auf dem Smartphone | Bildquelle: mauritius images / Pitopia

Gibt es Nachteile für Patienten?

Ein Bündnis aus Kritikern, darunter die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V und die Deutsche Aidshilfe, fordert eine aktive Zustimmung der Patienten als Voraussetzung für die elektronische Patientenakte, so wie sie auch bei privaten Akten von Nöten ist. Die Kritiker befürchten Nachteile für Patienten durch die Freigabe sensibler Daten wie psychischer Erkrankungen oder sexuell übertragbarer Infektionen.

Patienten mit Depressionen, Abhängigkeitserkrankungen oder bestimmten sexuellen Orientierungen würden durch die Einsehbarkeit aller medizinischen Daten diskriminiert werden könnten. Das Bundesgesundheitsministerium schreibt dazu auf seiner Internetseite: "Die Umsetzung der ePA für alle erfolgt datenschutzkonform. Die Daten werden auf sicheren Servern innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI) gespeichert und in der ePA verschlüsselt angelegt."

Was passiert mit den Daten der ePA noch?

Daten aus der elektronischen Patientenakte sollen für Forschungszwecke an Universitäten und die Pharmaindustrie pseudoanonymisiert weitergegeben werden, um die Versorgung von Patienten zu verbessern. Dieser Nutzung können Patienten bei ihrer Krankenkasse ebenfalls widersprechen.

Das Bündnis aus Kritikern schreibt: "Die digitale Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten öffnet das Gesundheitswesen für eine ganze Reihe neuer wirtschaftlicher Akteur*innen, die einen inhärenten Interessenkonflikt beim Zugriff auf Gesundheitsdaten oder dem Betrieb von entsprechenden Systemen aufweisen."

Ab welchem Alter können Patienten entscheiden?

Patienten ab 15 Jahren sollen selbst entscheiden können, welche Daten in ihren Akten landen. Bis dahin entscheiden die Erziehungsberichtigten über die Datenfreigabe ihrer Kinder. Erwachsene Kinder von pflegebedürftigen Eltern sollen auf deren Daten Zugriff erhalten können.

Wie können Patienten die ePA nutzen?

Die Akte wird über eine App aufgerufen, die die jeweilige Krankenkasse zur Verfügung stellt. Beispielsweise können sie dann die elektronische Patientenakte mit gesammelten Daten von Fitness-Trackern auf ihren Smartwatches versorgen. Auch Menschen ohne Smartphone oder Computer sollen Zugriff auf ihre eigene elektronische Patientenakte bekommen. Sie können sich dafür an Apotheken oder ihre Krankenkasse wenden. 

Anfangs wird die elektronische Patientenakte nicht über alle geplanten Funktionen verfügen, sie soll aber nach und nach weiterentwickelt werden. So könnten zum Beispiel erst einmal keine Röntgen- und MRT-Bilder gespeichert werden, jedoch die dazugehörigen Befunde. Ebenso eine Schnittstelle zum Organspenderegister soll in Arbeit sein.

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagentur dpa
  • Pressekonferenz Bundesgesundheitsamt

Über dieses Thema berichten wir am 30.09.2024 auch auf WDR5 um 18.00 Uhr im "Tag um 6".