"Aus einem ganz netten Smalltalk heraus bin ich plötzlich an den Oberschenkeln angefasst worden", heißt es auf der Instagramseite des Projekts "Edelgard schützt".
Frauen erzählen hier von ihren Erfahrungen. Es sind Geschichten über sexualisierte Gewalt - über Frauen, denen ohne ihre Zustimmung an die Brust oder an den Hintern gefasst wurde.
Genau wegen solcher Situationen ist "Edelgard schützt" gegründet worden. Das Projekt setzt sich dafür ein, dass Frauen und Mädchen in unangenehmen oder bedrohlichen Momenten nicht alleine bleiben müssen und Schutz finden können. Für ihr ehrenamtliches Engagement erhält die Kölner Initiative den diesjährigen Rheinlandtaler. Der Preis ist mit 1.000 Euro dotiert.
Schutzorte für Frauen, die sich belästigt fühlen
"Edelgard schützt" ist nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht 2015 ins Leben gerufen worden. Mit dem Ziel, dass sich Frauen und Mädchen in Köln sicher fühlen und ohne Bedenken rausgehen und feiern können.
Dafür wurden sogenannte Schutzorte geschaffen - Anlaufstellen, an die sich Frauen in unangenehmen oder bedrohlichen Situationen wenden können. Inzwischen beteiligen sich über 200 Cafés, Geschäfte, Bars und Clubs an dem Projekt.
"Edelgard-mobil" ist an Karneval unterwegs
Einer dieser Schutzorte ist die Taunus-Apotheke in Köln. Wenn Betroffene hier Zuflucht suchen, werden sie von geschultem Personal in ein ruhiges Zimmer begleitet. Anschließend wird entschieden, ob die Apotheke abgesperrt oder die Polizei gerufen werden muss. Um solche Schutzorte leicht zu finden, gibt es eine interaktive Stadtkarte, auf der alle Anlaufstellen verzeichnet sind. Außerdem sind in den Schaufenstern der teilnehmenden Orte Sticker des Edelgard-Projektes angebracht.
Während des Straßenkarnevals und bei anderen Großveranstaltungen ist zusätzlich ein "Edelgard-mobil" unterwegs. Mit dem Bus bietet die Initiative eine mobile Anlaufstelle, bei der Mädchen und Frauen Hilfe finden können.
Pause des Projekts wegen unklarer Finanzierung
Trotz der Ehrung mit dem Rheinlandtaler am Montag steht die Zukunft des Projekts auf wackeligen Beinen. Aktuell muss "Edelgard schützt" pausieren, weil die Finanzierung der Stadt Köln für das kommende Jahr noch nicht gesichert ist.
Lediglich 40.000 Euro hat die Stadt dem Projekt bereits zugesagt. Diese Gelder reichten jedoch nicht aus, um die neu gegründete Koordinierungsstelle fortzuführen, erklärt eine Sprecherin der Initiative. Die Stelle sei jedoch extrem wichtig, sie habe geholfen, das Projekt weiter zu professionalisieren. Aufgabe der Koordinierungsstelle ist es zum Beispiel, den Einsatz der Helferinnen und Helfer bei Großveranstaltungen zu organisieren.
Die Stadt Köln sagte dem WDR, dass sie sich mit anderen Trägern im intensiven Austausch über die Zukunft von "Edelgard schützt" befindet. Die Stadt entscheidet jedoch erst im Februar 2025 über den neuen Haushalt und somit über die Zukunft des Projekts.
Das Gewalthilfegesetz könnte helfen
Doch nicht nur "Edelgard schützt" steht vor finanziellen Herausforderungen. Auch bei Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen reichen die Gelder oft nicht aus, um den steigenden Bedarf zu decken. Viele Einrichtungen und Beratungsstellen stehen unter finanziellem Druck und bangen um ihre Existenz.
Familienministerin Lisa Paus will mit einem Gewaltschutzgesetz die angespannte Lage der Einrichtungen verbessern und den Gewaltschutz bundesweit ausbauen. Dafür möchte der Bund den Ländern erstmals finanzielle Mittel bereitstellen.
Frauenhäuser hoffen auf neues Gesetz
"Das Gewalthilfegesetz würde uns enorm helfen. Wir wären dann voll finanziert. Eine Vollfinanzierung bedeutet, wir müssen nicht mehr so viel Öffentlichkeitsarbeit machen", erklärt Suna Tanis von der Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser NRW. "Das heißt, wir müssten nicht mehr an allen möglichen Ecken betteln. Wir könnten endlich mehr den Fokus auf unsere Arbeit setzen, auf unsere pädagogische Arbeit."
Doch weil die Bundesregierung derzeit keine Mehrheit mehr hat, braucht sie für die Verabschiedung des Gesetzes die Hilfe der Opposition. FDP und Unionsfraktion signalisierten bisher eher Ablehnung, da ihnen die Maßnahmen nicht weit genug gehen und die Finanzierung nicht ausreichend geklärt sei. Warum über so ein Gesetz überhaupt diskutiert wird, versteht Suna Tanis nicht. Für sie ist klar: Der Gewaltschutz braucht jetzt mehr Geld.
LVR verleiht den Rheinlandtaler
Der Rheinlandtaler wurde 2019 von einem Kulturpreis zu einem übergreifenden Preis des Landschaftsverbands Rheinland. Dabei zeichnet der LVR Personen, Organisationen oder Unternehmen aus, die sich in besonderer Weise im Rheinland engagieren. Es wird das Engagement für eine gleichberechtigte und inklusive Gesellschaft gewürdigt.
Unsere Quellen:
- Pressemitteilung Landschaftsverband Rheinland (LVR)
- Pressemitteilung Frauenberatungszentrum Köln e. V.
- Instagram: Edelgard Köln
- Stadt Köln
Über dieses Thema berichtet der WDR am 09.12.2024 im Radio auf WDR 2.