Wirtschaftsflaute in NRW: Wen trifft es am härtesten?
Aktuelle Stunde. 14.08.2023. 27:39 Min.. UT. Verfügbar bis 14.08.2025. WDR. Von Jan Hofer.
Flaute in NRW: Wie kommt die Wirtschaft wieder auf die Beine?
Stand: 14.08.2023, 19:00 Uhr
Die Konjunktur lahmt, die Wirtschaft stagniert. Warum aber ist NRW so stark von der derzeitigen Flaute betroffen und wie kann den Unternehmen geholfen werden?
Von Oliver Scheel
Der dramatische Anstieg der Energiekosten hat die Wirtschaft hierzulande in die Rezession rutschen lassen. Das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen geht davon aus, dass die Wirtschaftsleistung in NRW in diesem Jahr um 0,3 Prozent zurückgehen wird. Für den Bund ist nur ein Rückgang von 0,1 Prozent berechnet worden.
Darum ist NRW besonders betroffen
"Die NRW-Wirtschaft ist deutlich stärker betroffen als andere Regionen in Deutschland", sagt auch Wolfgang Landmesser aus der WDR-Wirtschaftsredaktion.
Dies liege daran, dass besonders viele energieintensive Unternehmen ihren Standort in NRW hätten. "Und die meisten sind exportorientiert. Die weltweite Konjunktur aber läuft schwach, es gibt daher weniger Bestellungen in Deutschland", so Landmesser im WDR-Morgenecho.
Energieintensive Branchen wie die Stahlproduktion, aber auch Metallbau, Glas-, Papier und Kunststoffherstellung seien von den stark gestiegenen Energiepreisen besonders betroffen.
Aber auch die besonders am Rhein stark vertretene chemische Industrie kämpft mit Umsatzeinbußen. Laut Landmesser verzeichnen die chemischen Betriebe ein Minus von 14 Prozent.
Wie kann die Landesregierung hier helfen?
Wirtschafts- und Klimaministerin Mona Neubaur (Grüne) spricht von "preislichen Entlastungsmaßnahmen", die "immer mehr" greifen würden. "Für Investitionen brauchen Unternehmen aber auch Planungssicherheit für die nächsten Jahre. Dazu gehört langfristig eine sichere und günstige Versorgung mit Erneuerbaren Energien und für den Übergang einen Industriestrompreis, der gerade der energieintensiven Industrie im internationalen Wettbewerb hilft", so die Ministerin in einer Mitteilung ihres Ministeriums.
Viele Unternehmen leiden zudem unter einem großen Fachkräftemangel und bekommen die freien Stellen nicht besetzt. "Deshalb haben wir die Fachkräfteoffensive NRW gestartet. Der Bund muss jetzt ebenfalls mit einem praxistauglichen Fachkräfteeinwanderungsgesetz seinen Beitrag leisten", so Neubaur.
Schneller Ausbau von Ökoenergie nötig
Die Bundesnetzagentur dringt zudem auf einen schnelleren Ausbau der Ökoenergie. Dies betreffe Wind-, Solar- und Biomasseanlagen sowie die Netze, sagte Behördenpräsident Klaus Müller.
In NRW werden bereits mehr Flächen für den Bau von Windanlagen geöffnet. CDU und Grüne haben den Bau von 1.000 neuen Windanlagen in dieser Legislaturperiode versprochen. Der Nettozuwachs lag 2022 bei 68 Anlagen. Bei Wind und Photovoltaik werden nun baurechtliche Hürden beseitigt. Zudem soll eine Solaranlagen-Pflicht für neue Gebäude schrittweise ab 2024 eingeführt werden.
NRW die erste klimaneutrale Industrieregion Europas?
Darüber hinaus betont die Landesregierung, sie setze sich für einen konsequenten Bürokratieabbau ein und schloss im Dezember 2022 mit rund 20 Industrieunternehmen und elf Branchen- und Technologieverbänden den Industriepakt für Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit.
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel López
NRW verfolgt somit das Ziel, die erste klimaneutrale Industrieregion Europas zu werden. Als Leuchtturmprojekt unterstützen Bund und Land NRW "tkH2Steel" von Thyssenkrupp Steel Europe mit einer Förderung in Höhe von rund zwei Milliarden Euro. Für die Landesregierung ist das Wasserstoffprojekt ein entscheidender Baustein für die Transformation zur Klimaneutralität. Es sollen große Mengen Treibhausgase eingespart und zehntausende Arbeitsplätze gesichert werden.
Kann ein Konjunkturpaket helfen?
Deutschland leidet eher unter strukturellen Schwächen. Es herrscht Fachkräftemangel, Investitionsstau, die Arbeitskosten und Regulierungsdichte sind vergleichsweise hoch. Da würde ein Konjunkturprogramm kaum Abhilfe schaffen.
Konjunkturforscher Torsten Schmitt vom RWI Leibniz Institut rät der Politik auch zur schnellen Energiewende. "Das ist eine Durststrecke, durch die wir nun durch müssen. Wenn wir jetzt investieren, dann stehen wir später besser da", so der Konjunkturforscher. Ende des Jahres sehe es vielleicht schon besser aus, nur bei den energieintensiven Unternehmen sei ein etwas weiterer Weg zu beschreiten.
Mit Material von dpa und dem Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie.