Es ist es soweit: Notre-Dame de Paris ist wiedereröffnet. Der Pariser Erzbischof Laurent Ulrich hatte zuvor nach katholischem Ritus dreimal mit dem Bischofsstab an das Hauptportal geklopft.
Staatsgäste aus der ganzen Welt waren dabei. Aus Deutschland reiste Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an, aus den USA der zukünftige Präsident Donald Trump. Und auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kam nach Paris. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hielt eine Rede.
Auch Barbara Schock-Werner war dabei. Die langjährige Dombaumeisterin und Präsidentin des Zentral-Dombau-Vereins zu Köln hat die deutsche Hilfe beim Wiederaufbau koordiniert.
WDR: Wissen Sie noch, wo Sie waren vor fünf Jahren?
Barbara Schock-Werner: Ja, vor dem Fernsehapparat. Das waren die Abendnachrichten und da guckt man Fernsehen und ist völlig geschockt und dann das Bild, wie dieser obere Teil des Vierungsturms abbricht und durch das Gewölbe fällt, das war irgendwie, als ob mein Herz stehen bleibt. Das darf nicht wahr sein. Und dann rief gleich der WDR an und wollte eine Stellungnahme von mir.
WDR: Sie waren dann ja auch vor Ort. Was waren Ihre Eindrücke, als Sie die Schäden gesehen haben?
Schock-Werner: Ja, es sah natürlich furchtbar aus. Ich war ja wenige Tage danach in der Kirche, die Kirche stand, es war ja keine Ruine. Die Gewölbe hatten zwar drei große Löcher und innen lag ganz viel Brandschutt, aber die Gewände und auch die Westtürme, die Fassade, das alles war ja makellos, da ist ja gar nichts passiert. Also es war Schrecken, aber gleichzeitig auch Beruhigung.
WDR: Und trotzdem, dass die Kathedrale in fünf Jahren wieder öffnen soll, das war ja durchaus ein ambitioniertes Ziel. Haben Sie geglaubt, dass das gehen kann, gerade als jemand, der in Köln lebt und arbeitet?
Schock-Werner: Nein, wir Fachleute hielten das für vermessen, vor allem, weil es ja schon geäußert wurde, bevor der Schaden überhaupt festgestellt werden konnte. Nein, wir haben es nicht geglaubt.
WDR: Wie muss man sich diesen Wiederaufbau vorstellen? Was war da alles zu machen in den vergangenen Jahren?
Schock-Werner: Na ja, natürlich musste vor allen Dingen der Dachstuhl rekonstruiert werden oder völlig neu gebaut werden, einschließlich dieses sehr schönen Vierungsturms, der sehr differenziert ist. Das war die Hauptaufgabe. Gleichzeitig mussten aber auch die drei Löcher in den Gewölben wieder geschlossen und dann natürlich das ganze Gebäude gesäubert werden, das voll Staub, Asche und vor allem von diesem Bleistaub war, der von dem Bleidach her kam, das ja auch geschmolzen und aufgelöst worden ist.
WDR: Sie kennen Notre-Dame natürlich gut - wie es vor dem Brand war und Sie kennen es heute. Was hat sich verändert?
Schock-Werner: Es ist ja noch nicht ganz fertig - fertig ist ja ein relativer Begriff. Aber im Äußeren wird es wohl irgendwann genauso aussehen, wie es vorher aussah oder annähernd so. Aber im Inneren hat es sich sehr verändert. Es war ja so, wie wir gotische Kirchen kennen in so einem braunen Sandton. Und jetzt ist es fast strahlend weiß. Es ist nicht ganz weiß, es ist ein sehr helles Material, das man überall aufgetragen hat. Und es ist schon ein sehr anderer Innenraum.
WDR: Wie gefällt es Ihnen?
Schock-Werner: Man muss sich, glaub ich, dran gewöhnen. Wobei man sich natürlich klarmachen muss, dass der Stein, aus dem die Kirche gebaut ist, der aus Paris selber, aus dem Boden von Paris kommt, wie man an der Fassade sehen kann, ein ganz heller Stein ist. Also irgendwann am Anfang hat der Innenraum wohl so ähnlich ausgesehen, bevor er dann durch hunderte von Kerzenöllampen und Besucherstaub immer dunkler wurde. Also man kommt den Anfängen nahe.
WDR: Sie fahren ja selber auch nach Paris, sind dann morgen in Notre-Dame. Heute ist ja aber schon die Eröffnungsfeier. Was sind da Ihre Erwartungen?
Schock-Werner: Das wird natürlich die große Staatsschau, denn die Wiederherstellung war ja keine kirchliche, sondern eine Staatsangelegenheit. Alle großen Kirchen in Frankreich gehören dem Staat und er ist verantwortlich seit 1909, seit der Abschaffung der Kirchensteuer. Und deshalb ist das heute Abend auch eine Staatsschau, wenn ich das mal vereinfacht sagen darf, mit Macron und vielen wohl auch berühmten Solisten, die da auftreten. Während es sozusagen morgen ein Festgottesdienst wird. Und das find ich auch sehr spannend, da dabei sein zu dürfen.
WDR: Wie zufrieden sind Sie mit dem Gedanken, dass Donald Trump einer der Ersten sein wird, der in der neuen Kathedrale sein wird?
Schock-Werner: Wissen Sie, Donald Trump ist gegenüber Notre-Dame völlig bedeutungslos, wenn ich das mal so sagen darf. Das sind ganz andere Kriterien.
Hinweis der Redaktion: Das Interview führte Tobias Altehenger für die Sendung "Morgenecho" am 07.12.2024 bei WDR5. Formulierungen dieses Gesprächs haben wir für eine bessere Lesbarkeit minimal abgeändert, allerdings ohne dabei den Inhalt zu verfremden.