Brände und Macheten-Drohung in Essen: Das ist am Wochenende passiert
Lokalzeit aus Dortmund. 30.09.2024. 02:36 Min.. Verfügbar bis 30.09.2026. WDR. Von Carmen Krafft-Dahlhoff, Carsten Koch.
Brände und Macheten-Drohung in Essen: Das ist am Wochenende passiert
Stand: 01.10.2024, 15:31 Uhr
Am Samstagabend haben in Essen zwei Wohnhäuser gebrannt. In der Nähe der Einsatzorte fuhr kurz danach ein Mann mit einem Lieferwagen in zwei Geschäfte und drohte mit einer Machete. Die Polizei korrigierte am Dienstag die Anzahl der Verletzten auf 35 Personen, davon 17 schwer und zwei Kleinkinder lebensgefährlich. Ein Tatverdächtiger sitzt in Untersuchungshaft.
Nach den zwei Feuern im Essener Norden ermittelt die Polizei weiter zu den Hintergründen und appelliert an Zeugen, sich zu melden und bei der Aufklärung zu helfen. Ein 41-jähriger mutmaßlicher Brandstifter wurde festgenommen. Laut Polizei werde er auch verdächtigt, den Lieferwagen in die zwei Geschäfte gesteuert zu haben. Der Mann selbst sei dabei unverletzt geblieben. Was in Essen passierte und was über die Hintergründe bekannt ist:
Taten haben wohl familiären Hintergrund
Die mutmaßlichen Brandstiftungen und anderen Gewalttaten zielten nach Angaben von Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) auf Mitglieder derselben Familie. "Die Taten haben sich offensichtlich gezielt gegen eine Familie gerichtet", schrieb Kufen bei Facebook. Besonders betroffen mache ihn, dass dabei auch in Kauf genommen worden sei, dass kleine Kinder zu Schaden gekommen seien. Die Ruhrgebietsstadt habe "dramatische Stunden" erlebt. Der Tatverdächtige sitzt seit Sonntag in Untersuchungshaft.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)
In eine ähnliche Richtung äußerte sich NRW-Innenminister Herbert Reul am Sonntag. Die Brandstiftungen seien "das Werk eines Mannes, welcher möglicherweise die Trennung seiner Ex-Frau nicht verkraftet hat". Die aktuellen Ermittlungen ließen den Verdacht zu, dass die Häuser, gegen die sich seine Taten gerichtet hätten, alle in einem Zusammenhang mit der Trennung stünden. "Viele Menschen sind durch diese Taten schwer verletzt worden. Anscheinend war es ihm egal, was er mit seiner Tat anrichtet", so Reul.
Auch der Anwalt des Verdächtigen äußerte sich am Sonntag gegenüber dem WDR. Es gebe kein politisches Motiv, sagte Rechtsanwalt Volker Schröder. Seine Frau habe sich von ihm getrennt. Und "es gibt einen familiären Streit um das Umgangsrecht der Kinder." Dieser sei eskaliert. Die Trennung sei bereits drei Jahre her. Damals floh die Frau mit den drei gemeinsamen Kindern in ein Frauenhaus. Inzwischen habe sie einen neuen Freund.
Die Polizei bestätigte am Sonntag die Darstellung des möglichen Motivs. Als Reaktion habe der Verdächtige gezielt Wohnungen und Ladenlokale angegriffen, in denen Personen wohnen und arbeiten, die seine Ehefrau unterstützen würden. Laut Schröder laufe außerdem gegen den Beschuldigten ein Verfahren vor dem Amtsgericht, wegen Bedrohung gegen eine Person aus dem Umfeld der Frau - diese Person sei jetzt auch bei einem der Brände verletzt worden.
Anwalt geht von psychischer Erkrankung aus
Der Anwalt geht davon aus, dass der Tatverdächtige unter einer psychischen Erkrankung leide: "In den nächsten Tagen wird sich dann die Frage stellen, ob er an eine Psychiatrie übergeben wird oder weiter in Haft bleibt." Sein Mandant habe offenbar die Idee entwickelt, dass eine libanesische Familie Druck auf seine getrennt lebende Frau ausgeübt habe, um sie zur Prostituierten zu machen. Schröder zufolge hätten sich die mutmaßlichen Brandstiftungen nicht gegen die Familie des Mannes und deren Unterstützer, sondern gegen eine libanesische Familie gerichtet, von der er seine Frau und Familie bedroht gesehen habe.
Der Verdächtige bezeichne sich selbst als Palästinenser. Laut Polizei ist er gebürtiger Syrer.
Nach der Trennung habe sich der Beschuldigte fürsorglich um seine drei Kinder gekümmert und der Frau beim Einrichten der neuen Wohnung geholfen. Die Scheidung sei nicht von der Frau ausgegangen, der Mann habe sie vor zwei Jahren eingereicht, so Strafverteidiger Volker Schröder. Der 41-jährige habe als selbstständiger Fliesenleger und Trockenbauer gearbeitet und keine staatliche Unterstützung in Anspruch genommen, im vergangenen Jahr habe er diese Tätigkeit aber aufgegeben.
Viele Verletzte bei zwei Bränden kurz hintereinander
Feuerwehrfahrzeug vor einem Wohnhaus in Essen
Doch was war eigentlich genau passiert? Wie die Feuerwehr Essen dem WDR mitteilte, war am Samstag gegen 17.10 Uhr in zwei Wohnhäusern in den Stadtteilen Altenessen und Stoppenberg im Abstand von wenigen Minuten Feuer ausgebrochen. Dabei wurden nach aktuellem Stand 31 Personen verletzt, darunter 17 schwer. Ein Feuerwehrsprecher sprach von hochdramatischen Szenen.
Kinder und Frauen hätten am Fenster in Rauch gehüllt gestanden und geschrien. Der Fluchtweg war versperrt. Nachbarn hatten schon Leitern für die schnelle Rettung in den unteren Geschossen aufgestellt. "Das kann doch nicht sein", sagt Schehmus Mamadu, ein freiwilliger Helfer, der vor Ort war. "Alle Leute sind am Gucken und keiner macht was." Also habe er mit ein paar Kollegen eine Leiter genommen und auf eigene Faust drei Kinder gerettet.
Weil im Dachgeschoss Kinder aus dem Fenster gehalten wurden, bauten die Einsatzkräfte, als sie eintrafen, ein Sprungkissen auf. Die Feuerwehr rettete dann mit einer Drehleiter die verbliebenen Bewohner aus dem Fenster.
Das sechs Monate alte Baby wurde nach WDR-Informationen mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen. Es ginge ihm den Umständen entsprechend gut. Das zweijährige Kind ist noch im Krankenhaus. Sein Zustand hat sich verschlechtert. Es schwebt weiter in Lebensgefahr.
Die Kinder waren mit Hubschraubern nach Duisburg und Bochum geflogen worden. Alle weiteren verletzten Personen wurden in Krankenhäusern in Essen versorgt. Teilweise erlitten sie schwere Rauchgasvergiftungen.
Feuerwehr: Häuser sind möglicherweise wochenlang unbewohnbar
Die beiden Mehrfamilienhäuser sind bis auf Weiteres unbewohnbar. Das hat die Feuerwehr am Montag bekannt gegeben. Am Vormittag waren Sachverständige mit Messgeräten, Stirnlampen und Atemschutz in den Häusern. Bis die Häuser rauchfrei seien, könne es Wochen dauern. Die Bewohner müssen bis dahin weiter bei Verwandten schlafen.
Festnahme in Essen | sv
00:43 Min.. Verfügbar bis 29.09.2026.
Mann fährt mit Machete bewaffnet in Geschäfte
Ein Transporter fuhr in einen Gemüseladen
Kurz nach Ausbruch der Feuer fuhr ein Lieferwagen in zwei Geschäfte in der Nähe der Brandorte. Der Fahrer stieg vor einem Obst- und Gemüsegeschäft aus und drohte den dort Anwesenden mit einem Messer und einer Machete. Dort wurde aber niemand verletzt.
Die Polizei nahm nach eigenen Angaben in Tatortnähe den 41-Jährigen fest.
Video zeigt möglicherweise Festnahme
Großeinsatz auf der Essener Zollvereinstraße
Auf der Plattform X unter dem Account @nycrox kursieren mehrere Videos, die augenscheinlich den Tathergang zeigen. Dabei ist auch eine Szene zu sehen, die offenbar die Festnahme des Tatverdächtigen zeigt. Er wird in einem Hinterhof von mehreren Männern über einige Minuten mit Stangen und Schaufeln in Schach gehalten und auch geschlagen. Die Situation ist extrem angespannt.
Dann ist zu sehen, wie die Polizei mit mehreren Einsatzkräften auftaucht und den Mann mit gezogener Waffe auffordert, seine Waffen wegzuwerfen und sich auf den Boden zu legen. Er fügt sich den Beamten, schließlich legen diese dem Verdächtigen Handschellen an.
Die Polizei bittet Augenzeugen um Videos der Taten. Sie können über das Hinweisportal der Polizei hochgeladen werden. Hinweise werden auch unter der Rufnummer 0201/829-0 entgegen genommen.
Unsere Quellen:
- Feuerwehr Essen
- Polizei Essen
- Reporter vor Ort
- Deutsche Presse Agentur
- Facebook-Account von Thomas Kufen
In einer früheren Version dieses Artikels stand zunächst, dass die Bewohner wieder in ihre Häuser können. Das haben wir korrigiert.