"Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine angespannte Hochwassersituation", sagte Umweltminister Oliver Krischer am ersten Weihnachtsfeiertag in Oberhausen, wo er sich über die Lage am Ruhr-Deich informierte. Für eine Entwarnung gebe es noch keinen Anlass – "ganz im Gegenteil". Angesichts weiterer Regenfälle sei damit zu rechnen, dass die Lage zunächst auch angespannt bleibe.
Der Ruhr-Deich in Oberhausen, der kritische Schwachstellen gezeigt hatte und an dem umfangreiche Maßnahmen zur Deichsicherung eingeleitet worden waren, sei nach aktuellem Stand stabilisiert, so Krischer. Auf X, ehemals Twitter, schrieb er am Montagnachmittag, der Deich sei gesichert, Fachleute sähen derzeit keine Gefahr.
Mit Blick auf den generellen Hochwasserschutz in NRW sagte Krischer in Oberhausen, es gebe zwar deutlichen Sanierungsbedarf. Grundlegend erfüllten Deiche und Hochwasserschutzanlagen aber ihre Funktion.
Wie viele Deiche müssen saniert werden?
Die Deiche an NRW-Flüssen haben insgesamt eine Länge von rund 530 Kilometern. Bei mindestens der Hälfte besteht nach Angaben des zuständigen Landesumweltministeriums Handlungsbedarf.
Derzeit wird geprüft, was genau wie saniert oder neu gebaut werden muss. Seit 2014 gibt es einen Fahrplan, in dem 44 Deich-Sanierungsprojekte festgelegt wurden. Nur sechs sind fertiggestellt. Alle sollten ursprünglich bis 2025 erledigt sein.
Warum verläuft die Sanierung schleppend?
Ein Grund dafür ist der Mangel an Fachkräften in den Bezirksregierungen. Hier werden die Sanierungspläne genehmigt. Für den Neubau oder die Sanierung von Deichen sind Hochwasser-Experten gefragt. Doch hier gibt es seit Jahren zu wenige Leute, die dafür ausgebildet sind.
Das Land hat zwar im vergangenen Jahr neue Stellen geschaffen, doch das reiche nicht, sagte NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) dem WDR bereits Mitte Dezember. "Es kann ja nicht irgendwer einen Deich planen, das müssen Experten sein. Wir brauchen Bauingenieure. Das ist der Flaschenhals", so der Minister. Auch vorhandenes Personal in den Bezirksregierungen solle jetzt dafür qualifiziert werden.
Welche Rolle spielt die Gesetzeslage?
Eine große. Die gesetzlichen Auflagen für die Genehmigungsverfahren sind umfangreich und kompliziert. NRW-Umweltminister Krischer will diese Verfahren vereinfachen: "Wir hinken auch Planungen aus dem letzten Jahrzehnt hinterher, weil die Verfahren sehr komplex sind."
Holger Friedrich vom Arbeitskreis für Hochwasserschutz und Gewässer in NRW kritisierte Mitte Dezember im WDR, dass die Verfahren nicht schneller würden. "Wir sind halt in einem Korsett eingeschnürt, in dem wir den Spielraum, den wir bräuchten, nicht haben können." Deshalb forderte Friedrich Notgesetze, die dem Hochwasserschutz Vorrang einräumen. Das hält die Landesregierung aber nicht für notwendig.
Wo hat das Genehmigungsverfahren besonders lange gedauert?
Ein Beispiel dafür ist der Rhein-Deich bei Wesel-Bislich. Seit 30 Jahren soll er an verschiedenen Stellen breiter, höher und stabiler gemacht werden. Das wurde bereits aufwendig geplant. Immer wieder aber gab es neue Verordnungen, Grundstückeigentümer wechselten.
"Bisher scheiterte es daran, dass wir keine zugesagten Planfeststellungsbeschlüsse von der Bezirksregierung Düsseldorf erhalten haben", sagte Harry Schulz am ersten Weihnachtstag dem WDR. Er ist als sogenannter Deichgräf für 50 Kilometer Hochwasserschutz von Wesel-Bislich bis zur niederländischen Grenze verantwortlich.
"Ich bin aber guter Dinge", sagte Schulz. Man habe ihm zugesagt, dass er Anfang 2024 für den größten Streckenabschnitt des Deiches eine Baugenehmigung bekomme. Für einen weiteren Abschnitt solle dann im dritten Quartal des nächsten Jahres ebenfalls eine solche Genehmigung folgen. Das sei möglich geworden, weil das Personal in der Düsseldorfer Bezirksregierung aufgestockt worden sei.
Unsere Quellen:
- WDR-Sendungen Aktuelle Stunde und Westpol
- Oliver Krischer auf X (vormals Twitter)
- dpa
- NRW-Umweltministerium