Aufnahme aus einer Einkaufsstraße, die menschenleer ist.

Patient Innenstadt: Was tun?

Stand: 07.01.2025, 10:30 Uhr

Wie können Innenstädte an Zugkraft gewinnen? Das ist heute Thema für den NRW-Wirtschaftsausschuss. Ein Thema: der Einzelhandel.

Von Kai Clement von der WDR-LandespolitikKai Clement

Die Diagnose der FDP-Fraktion lautet: "Der Strukturwandel im stationären Einzelhandel hinterlässt verwaiste Ortskerne und leerstehende Innenstädte." Die Liberalen fordern deshalb die NRW-Landesregierung auf, den Standort Innenstadt zu stärken. Heute nehmen dazu Sachverständige im Wirtschaftsausschuss Stellung. Die FDP nennt u.a. hohe Kosten (Mieten, Nebenkosten), den konkurrierenden Online-Handel und die Corona-Delle als Gründe für die derzeitige Lage.

Die "Therapie" sieht aus Sicht der NRW-Liberalen so aus: ein attraktiver Angebots-Mix mit Geschäften und Events in gut erreichbaren Innenstädten, die auch mit Grün- und anderen Erholungsflächen punkten können. Dazu verlängerte Öffnungszeiten und verkaufsoffene Sonntage. Außerdem soll die NRW-Landesregierung Druck in Berlin machen: In einer Bundesratsinitiative solle sie sich für Sonntagsöffnungen einsetzen. Konkret geht es darum, dass diese schwerer anfechtbar sein sollen als aktuell. Zugleich brauche es weniger Bürokratie, außerdem City-Manager und ein Leerstands- und Ansiedlungsmanagement. Auch ein flexibleres Baurecht könne helfen, Innenstädte zu modernisieren.

Den stationären Einzelhandel gemeinsam mit zukunftsweisender Stadtentwicklung zu denken, heißt, Innenstädte, Orts- und Stadtteilzentren wieder als zentrale Wirtschafts- und Lebensräume neu zu beleben. Aus dem Antrag der FDP-Fraktion

Der Sonntag

Die herausgehobene Rolle des Sonntags ist in Artikel 140 des Grundgesetzes verankert ("Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt."). Für einen grundlegenden Neustart bei den Sonntagsöffnungszeiten bräuchte es eine Grundgesetzänderung, deshalb der FDP-Vorschlag einer NRW-Bundesratsinititive.

In seiner schriftlichen Vorab-Stellungnahme begrüßt der Handelsverband NRW eine solche "Anpassung an die modernen Gegebenheiten". Sonntagsöffnungen müssten "kritisch hinterfragt werden", findet dagegen Professor Tim Rieniets vom Institut für Entwerfen und Städtebau der Leibniz Uni Hannover. Davon würden vor allem die Großen profitieren, bei kleineren und eigentümergeführten Geschäften reichten oft nicht die Kapazitäten. Statt des eigentlichen Ziels könnte somit das Gegenteil erreicht werden. Für die IHK NRW ist nicht die Anzahl der Öffnungen entscheidend, sondern Planungssicherheit. Derzeit verzichte aus Angst vor Klagen manche Kommune darauf, Sonntagsöffnungen überhaupt zu beantragen.

So kauft NRW ein

WDR 5 Westblick - Interview 17.12.2024 05:57 Min. Verfügbar bis 17.12.2025 WDR 5


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Das Baurecht

Hier gibt es viel Zustimmung. Nutzungswandel in den Innenstädten zu erleichtern - dafür spricht sich das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung aus. Dem stehe allerdings das Bauplanungs- und Bauordnungsrechts als ein "wesentliches Hemmnis" entgegen. Hier brauche es Erleichterungen. Für eine "Umbaukultur" wirbt der Verein Baukultur NRW. Auch die IHK NRW sieht viele Verbesserungsmöglichkeiten - etwa Leerstände leichter umnutzen zu können oder Räume für den Klimawandel fit zu machen.

Die City-Manager

Solche zentralen Ansprechpartner könnten bei der Koordination und dem Zugang zu Fördermitteln helfen, findet die IHK. "Kümmererstrukturen" seinen kein "nice to have", sondern ein "must have". Der Handelsverband NRW weist zwar auf viele bereits bestehende Angebote hin - doch die könnten besser organisiert und abgestimmt werden.

Bonn: Leerstand in der Innenstadt

WDR 5 Westblick - aktuell 05.12.2024 03:32 Min. Verfügbar bis 05.12.2025 WDR 5


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Das Fazit

Viele Sachverständige begrüßen den Antrag - teils aber durchaus mit Einschränkungen. Bisherige Maßnahmen hätten den Trend nicht drehen können, fasst Tim Rieniets von der Uni Hannover zusammen. Es brauche neue Leitbilder für die Innenstädte - mehr als nur Geschäftsmodelle. Mit einem Höhepunkt in 2010 seien Verkaufsflächen teilweise stärker gewachsen als Konsumausgaben. Zudem seien nicht nur Leerstände ein Problem, sondern auch ein "Trading Down" (sinkendes Angebotsnivau) oder die Verdrängung der Einzelhändler durch Ketten.

Die Business Metropole Ruhr begrüßt den FDP-Ansatz - er greife jedoch zu kurz. Man müsse von "Inselbetrachtungen" wegkommen, nicht nur das Zentrum in den Blick nehmen, sondern auch Nebenzentren einbeziehen, etwa Shopping-Malls. Für den Handelsverband Nordrhein-Westfalen braucht es dagegen dringend eine Zukunftsperspektive für die von ihm vertretenen Betriebe - schließlich gehe es um über 750.000 Beschäftigte und Auszubildende in mehr als 100.000 Geschäften.

Unsere Quellen:

  • Antrag der FDP-Fraktion
  • Schriftliche Stellungnahmen für die Expertenanhörung

Über dieses Thema berichten wir auch am 7.1. auf WDR 5 in der Sendung "Westblick" auf 17.04 Uhr.