Fast sieben Monate lang besteht nun die erste schwarz-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen. Anlass für Streit gab es in dieser Zeit theoretisch genug - etwa angesichts der chaotischen Haushaltspolitik oder der Räumung in Lützerath. Doch bislang ist kein koalitionsinterner Krach nach Außen gedrungen.
Entsprechend harmonisch präsentierten sich am Dienstag auch Ministerpräsident Hendrik Wüst und seine Stellvertreterin Mona Neubaur bei der traditionellen Pressekonferenz zum Beginn des Jahres. Die beiden hatten für die Journalisten und Journalistinnen vor allem eine Botschaft mit im Gepäck: Es läuft rund.
Lob für die eigene Zusammenarbeit
So versicherte Wüst: "Diese Koalition arbeitet menschlich und inhaltlich gut zusammen. CDU und Grüne hier in Nordrhein-Westfalen das passt und funktioniert." Und Neubaur pflichtete bei: "Menschlich stimmt's. Inhaltlich arbeiten wir ruhig." Es handele sich um eine "lösungsorientierte" Koalition. "Vielleicht dem ein oder anderen zu ruhig und mit zu wenig koalitionsinternen Skandalen."
Während der rund einstündigen Pressekonferenz wurde aber auch deutlich, dass es sich bei CDU und Grünen nicht um eine Liebesheirat handelt. Die Interaktion zwischen Wüst und Neubaur blieb auf das Nötigste beschränkt. Ob und wie die beiden abseits der professionellen Arbeitsebene menschlich miteinander klarkommen, bleibt weiterhin ein Rätsel.
Energiewende Schwerpunkt für 2023
Stattdessen wurden zahlreiche Themenbereiche angerissen, die in 2023 angegangen werden sollen. So sprach Wüst schnellere Planungsverfahren für den Ausbau der erneuerbaren Energien an sowie das Ziel, eine bezahlbare Energieversorgung sicherzustellen, damit weiterhin Industrie in NRW wirtschaften könne. Beim zweiten "Schwerpunkt" Bildung nannte der Ministerpräsident das bereits beschlossene Vorhaben, Lehrer demnächst einheitlich zu bezahlen.
Auch Wirtschaftsministerin Neubaur versicherte, "Schwung in die Energiewende" bringen zu wollen. Neue Ideen oder Vorschläge legte sie aber nicht vor. So soll die Abschaffung der umstrittenen 1.000-Meter-Abstandsregelung für Windräder wie geplant nur schrittweise fallen.
"Harte Zeit für die Grünen"
Stattdessen musste die Grüne immer wieder Nachfragen zu den Folgen der Lützerath-Räumung für ihre Partei beantworten. "Die letzten Wochen waren eine harte Zeit für die Grünen, auch für mich", räumte Neubaur ein. Trotzdem zeigte sie Verständnis für die friedlichen Proteste. Es sei klar, dass die Klimaschutzbewegung andere Forderungen stellen müsse als eine Wirtschaftsministerin.
SPD beklagt "altbekannte Mantras"
Aus Sicht der Opposition war der Auftritt der Regierungsspitze zu unkonkret. "Außer allgemeinen Schlagwörtern, altbekannten Mantras und dem obligatorischen Fingerzeig nach Berlin war leider nicht viel über neue Vorhaben der Landesregierung und die aktuelle Lage von Nordrhein-Westfalen zu vernehmen", kritisiere SPD-Chef Thomas Kutschaty im Anschluss. Nach dem "völlig missglückten Start" seien gezielte Maßnahmen angesagt gewesen. Stattdessen gebe es nun eine "veritable Affäre" um den Neubau der Rahmedetalbrücke.
Tatsächlich musste sich der Ministerpräsident bohrende Fragen anhören zu seiner Rolle als früherer Verkehrsminister rund um die marode Autobahnbrücke der A45. Da geht es ganz aktuell um gelöschte E-Mails und die politische Verantwortung für die Sperrung. Doch Wüst wies alles von sich und zeigte sich gelassen.