Brückenbau, Symbolbild von Schild

188 Brücken in NRW haben die Zustandsnote der Carolabrücke

Stand: 20.09.2024, 13:18 Uhr

Der Brückeneinsturz in Dresden stellt das Prüfsystem in Frage. Experten fordern moderne Überwachungsmethoden.

Von Bernd NeuhausBernd NeuhausMartina KochMartina Koch

Steffen Marx, Brückenexperte, im Interview

Steffen Marx, Professor am Institut für Massivbau der TU Dresden

"Einfach so weiter wie bisher geht definitiv nich", sagt Steffen Marx, Professor am Institut für Massivbau der TU Dresden im Interview mit dem WDR-Magazin Westpol. Er ist beauftragt, den Einsturz der Carolabrücke am 11. September 2024 zu untersuchen. Aber er wolle nicht warten, bis das allerletzte Detail auf dem Tisch liege.  Bisher könne die Bauwerksprüfung nur oberflächlich auf das Objekt gucken und man sähe nicht, was drin tatsächlich stattfinde.

Alle sechs Jahre müssen Brücken gründlich geprüft werden

Bundesweit ist die Brückenkontrolle einheitlich geregelt. Danach werden jeweils Zustandsnoten vergeben. Die Carolabrücke sei vorschriftsmäßig regelmäßig überprüft worden, zuletzt 2023, schreibt die Stadt Dresden auf ihrer Webseite. Dabei erhielt die Brücke eine 3,0, was bedeutet "nicht ausreichender Bauwerkszustand" nach DIN-Norm 1076. Auch in Nordrhein-Westfalen sind Brücken mit dieser Benotung oder sogar schlechterer weiter in Betrieb.

Brückennoten nicht mit Schulnoten vergleichbar

Landesumweltminister Oliver Krischer

Oliver Krischer (B‘90/Grüne)

Die Zustandsnote beschreibe nur, was an Schäden erkennbar sei und sage noch nichts über die weitere Betriebsdauer dieser Brücke, begründet das Verkehrsminister Oliver Krischer (B‘90/Grüne) gegenüber dem WDR. Genau das halten Experten für ein Problem. "Exakt zu sagen, wann die Brücke versagt, das kriegen sie mit dem Notensystem nicht hin", sagt Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer Bau in NRW. Da brauche man mehr Informationen. "Gerade wenn das eben nicht erkennbar ist, müssen wir eigentlich die Brücke sperren", so Bökamp.

Überwachungsmethoden verändern

Der Dresdner Brückenexperte Steffen Marx geht davon aus, dass  Schall-Emissionsverfahren die Sicherheit erhöhen könnten. Mit Mikrofonen könnte man in Brücken hineinhören. Und wenn im Inneren ein Stahldraht breche, dann werde das als Schallwelle im Bauwerk übertragen und sei von außen zu hören, erklärt Marx. Bisher werde nur oberflächlich auf ein Bauwerk geschaut.

Brückenoffensive der Landesregierung

Der NRW-Verkehrsminister will erstmal genau wissen, warum die Brücke in Dresden eingestürzt sei. Erst dann sei er zu Veränderungen am Überprüfungsverfahren bereit. Bisher habe er keine Anhaltspunkte dafür, dass das System nicht funktioniere. 188 Brücken an Landes-und Bundesstraßen sind wie die Carolabrücke mit 3,0 bewertet, dazu kommen viele mit noch schlechteren Noten. Oliver Krischer hat den Sanierungsbedarf erkannt. 400 Brücken sollen in den nächsten 10 Jahren saniert werden oder Ersatzneubauten erhalten.

Kommunale Brücken noch schlechter

Die meisten Brücken in NRW befinden sich allerdings in kommunaler Verantwortung. Die genaue Anzahl wurde allerdings noch nie erhoben. Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städte-und Gemeindebundes in NRW geht von ungefähr 15.000 Brücken aus. Das sind mehr als doppelt so viele wie in Landesverantwortung. 12 Prozent der kommunalen Brücken in NRW sind nach einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIFU) in einem nicht ausreichenden oder sogar ungenügenden Zustand.

Investitionsstau in Milliardenhöhe

Grafik zum Zustand von Brücken in NRW, Westpol Sendung 22.09.2024

Brückenzustand NRW

Das sei ein Abbild der kommunalen Finanzen, so Christof Sommer. Immerhin sei in den letzten zehn Jahren so viel an Brücken gemacht worden, dass die Lage nicht schlimmer geworden sei. Wenn man die Mittel nicht habe, mache man das Notwendige. Der kommunale Spitzenverband geht von einem Investitionsstau in Milliardenhöhe aus. Das Förderprogramm des Landes für kommunale Straßeninfrastruktur in diesem Jahr unterstützt 97 Maßnahmen. Darunter sind allerdings nur acht Brücken.

Darüber berichten wir auch im WDR-Fernsehen,  in der Sendung Westpol am 22.9.2024, ab 19:30 Uhr.

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