Polizeiliche Ermittlungen mittels Künstlicher Intelligenz

Vorratsdatenspeicherung und KI: Was darf die Polizei?

Stand: 25.10.2024, 10:20 Uhr

Welche Befugnisse sollen Sicherheitsbehörden bei der Terrorabwehr haben? Darüber streitet NRW mit der Bundesregierung.

Von Moritz Börner

Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hatte ein Sicherheitspaket für die Terrorabwehr vorgelegt - doch das geht unionsgeführten Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen nicht weit genug. Deshalb ließen sie es teilweise im Bundesrat scheitern. Sie fordern eine längere Vorratsdatenspeicherung von Internet-Verbindungsdaten und auch mehr Möglichkeiten, biometrische Daten zu nutzen - zum Beispiel zur Gesichtserkennung.

Tatsächlich ist heute mit Hilfe künstlicher Intelligenz in der Polizeiarbeit vieles machbar. Die Frage aber ist: Was ist erwünscht, was wird erlaubt?

KI kann Gesichter erkennen

Was technisch möglich ist zeigt ein Besuch bei dem Sicherheitsunternehmen Motorola Solutions. Das Unternehmen bietet Videokameras mit KI-Software, die Menschen anhand biometrischer Daten wiedererkennen. Das können zum Beispiel gesuchte Straftäter sein, islamistische Gefährder oder andere Extremisten. Wenn sie von einer der Kameras erkannt werden, schlägt das System Alarm, die Polizei kann zugreifen.

Fahndung mit Hilfe biometrischer Daten

Denkbar wäre solch eine Form der Videoüberwachung bei Großveranstaltungen oder an Orten mit erhöhter Kriminalität, zum Beispiel Bahnhöfen. Am Düsseldorfer Hauptbahnhof gibt es gemischte Reaktionen bei Pendlern und Passanten auf den möglichen Einsatz von KI-Überwachungstechnik. "Meine Freiheit ist mir wichtig", sagt ein junger Mann, der die Technik ablehnt, während eine Passantin nichts daran findet: "Ich bin ja auch in sozialen Medien unterwegs und dadurch schon halbwegs transparent."

Was ist technisch möglich und gleichzeitig datenschutzkonform?

Auch das Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste testet in seinem Innovation Lab künstliche Intelligenz für die Polizeiarbeit. Es geht darum, herauszufinden, was technisch möglich und gleichzeitig rechtlich erlaubt ist. Dominic Reese, der Leiter des Innovation Lab, ist sich sicher: Künstliche Intelligenz habe großes Potential, Polizeiarbeit effektiver zu machen. "Die künstliche Intelligenz, die wir heute sehen, steckt noch in den Kinderschuhen", sagt Reese, "Ich vermute, wir werden zukünftig deutlich häufiger künstliche Intelligenz einsetzen können."

Weniger Arbeitsbelastung für Polizisten durch KI

Es geht nicht nur darum, Straftätern leichter auf die Spur zu kommen - sondern auch darum, Polizisten bei der Arbeit zu entlasten. "Wir können Ressourcen freisetzen, vor allem in den Bereichen, in denen hochgradig qualifizierte Kolleginnen und Kollegen an sehr, sehr trivialen Dingen arbeiten", erklärt Robert Kahr vom Landeskriminalamt, "zum Beispiel Dinge abzutippen oder immer wiederkehrende Berichte zu erstellen, oder einfach sehr, sehr große Datenmengen nach Dingen zu durchsuchen, die künstliche Intelligenz auch erkennen kann."

Viele Einsatzmöglichkeiten

Die Einsatzmöglichkeiten von KI sind groß. Am Mönchengladbacher Hauptbahnhof zum Beispiel wird eine Überwachunsgstechnik erprobt, die anhand von Bewegungsprofilen erkennen kann, wenn es Gewalttaten gibt. Das System soll selbständig Alarm schlagen, zum Beispiel wenn Menschen sich prügeln, oder wenn jemand zu Boden geht.

Technisch problemlos möglich wäre auch die Suche nach Straftätern mit Hilfe biometrischer Daten im Internet und in sozialen Medien. Die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette wurde so identifiziert, allerdings von Journalisten und nicht der Polizei - die diese Technik bisher nicht anwenden darf.

Datenschützer sind alarmiert

Aber was ist rechtlich erlaubt? Der sogenannte AI-Act, ein EU-Gesetz zur Regulierung von künstlicher Intelligenz, gibt einen strengen Rahmen vor. Anwendungen, die biometrische Daten erfassen zum Beispiel, sind bei der Videoüberwachung oder für das Durchsuchen von Social Media Kanälen verboten. Aber: Der AI-Act kann außer Kraft gesetzt werden, wenn es um nationale Sicherheitsinteressen geht, zum Beispiel die Terrorabwehr.

Kritik von Datenschützern

Bettina Gayk, Landesdatenschutzbeauftragte

Bettina Gayk, Landesdatenschutzbeauftragte

Dann könnten die Bundes- oder die Landesregierung vorübergehend zum Beispiel auch den Einsatz von biometrischen Daten ermöglichen. Eine Entwicklung, die Datenschützer kritisch sehen. "Sowas ist genau das, was der Datenschutz verhindern will. Dass Menschen allein aufgrund ihrer Daten bewertet werden", sagt Bettina Gayk, Landesbeauftragte für Datenschutz, "wir haben nur Wahrscheinlichkeiten, mit denen KI operiert. Und das wird dazu führen, dass Menschen in den Fokus geraten, die sich gar nichts zu Schulden kommen lassen."

Wüst will anlasslose Vorratsdatenspeicherung

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst dagegen wünscht sich im Kampf gegen Terror und Extremismus mehr Möglichkeiten für die Polizei, auf Daten zuzugreifen. In dieser Woche hat NRW im Bundesrat gegen das Sicherheitspaket der Bundesregierung gestimmt. Für Wüst geht das Vorhaben nicht weit genug, er fordert eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung.

Über dieses Thema berichten wir am 25.10.2024 auch im Hörfunk: WDR 5 Westblick ab 17:05 Uhr.