NRW will gegen Antisemitismus im Kulturbetrieb vorgehen

Stand: 05.03.2024, 10:48 Uhr

Nach den Antisemitismus-Vorwürfen bei der Berlinale hat Kulturstaatsministerin Roth Konsequenzen angekündigt. Auch NRW will gegen Antisemitismus im Kultursektor vorgehen.

Von Martin Teigeler

Nach dem Berlinale-Skandal will auch Nordrhein-Westfalen ein härteres Vorgehen gegen Antisemitismus im Kultursektor. Es müsse "sichergestellt sein, dass öffentliche Gelder nicht dazu missbraucht werden, offensichtlich antisemitische, rassistische und/oder gruppenspezifisch menschenfeindliche Projekte, Kunst und Kultur zu finanzieren", teilte ein Sprecher von Landeskulturministerin Ina Brandes (CDU) auf WDR-Anfrage mit.

Verhaltenskodex für Künstler?

Man müsse Antisemitismus im Kulturbetrieb noch viel wirkungsvoller entgegentreten, hatte zuvor Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bei "Spiegel Online" gefordert. Ein möglicher Weg seien Codes of Conduct (also ein Verhaltenskodex) für Kultureinrichtungen.

"Es geht um die Frage, wo die Kunstfreiheit endet, wenn sie die Würde des Menschen verletzt." Aus Sicht Roths reichen allerdings Verhaltensregeln allein nicht aus. Sie müssten mit Weiterbildungen und Sensibilisierungen etabliert und in der Tagespraxis gelebt werden.

"Genozid"-Vorwürfe auf offener Bühne

Auslöser der Debatte sind Vorkommnisse bei der diesjährigen Berlinale-Preisverleihung. Mitglieder aus Jurys sowie Preisträger forderten verbal oder mit Ansteckern einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg. In Statements war die Rede von "Apartheid" im Zusammenhang mit der Situation in den von Israel besetzten Gebieten und von "Genozid" mit Blick auf das Vorgehen der Armee in Gaza.

Frage der Kultur: Wann ist Israelkritik Antisemitismus? WDR 5 Scala - Hintergrund Kultur 01.03.2024 14:40 Min. Verfügbar bis 01.03.2025 WDR 5

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Bei der Gala gab es sogar Applaus nach den Aussagen. Zum Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023, bei dem die palästinensische Terrororganisation in Israel 1.200 Menschen brutal ermordete und hunderte Geiseln nahm, wurde hingegen geschwiegen.

Im Anschluss wurden Antisemitismus-Vorwürfe erhoben. Auch der bei der Verleihung anwesenden Claudia Roth wurde vorgeworfen, sie hätte während der Gala gegen die Anti-Israel-Parolen auf der Bühne einschreiten müssen.

Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, fordert eine antisemitismuskritische Kulturförderung: "Wir Juden sind es leid, uns immer wieder mit Worten und Versprechungen zufriedengeben zu müssen." Bereits vor Monaten hatte Schuster das "laute Schweigen aus dem Kultursektor" zum Hamas-Terrorangriff kritisiert.

Personenschutz für Juden auf der lit.Cologne

Antisemitismus ist auch bei dem an diesem Dienstag beginnenden Literaturfestival lit.Cologne ein Thema. Das Festival beginnt in Köln mit einem Gespräch "Wider den Judenhass" mit dem Publizisten Michel Friedman und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). "Leider müssen wir erleben, dass die antisemitische Bedrohungslage in unserem Land derart zugenommen hat, dass jüdische Mitwirkende, u.a. Michel Friedman, erstmals gezwungen sind, mit Personenschutz zu reisen", sagte eine Sprecherin der lit.Cologne.

Zudem sei auch in den Veranstaltungssälen Sicherheitspersonal anwesend, um nötigenfalls bei Störungen eingreifen zu können. Bei dem Festival sei man "auch zur Einschätzung einzelner Veranstaltungen im vertrauensvollen Austausch mit der Polizei Köln", so die Sprecherin des Festivals.

Rund um Kulturveranstaltungen in Nordrhein-Westfalen hatten antisemitische Vorfälle in der Vergangenheit bereits heftige Kontroversen ausgelöst. 2018 hatte der damalige Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) seine Teilnahme an der Ruhrtriennale abgesagt. Auslöser waren unter anderem Aussagen der damaligen Intendantin zu Israel. Der Fall war mehrfach Thema im Landtag.

Was genau Bund und Länder Kulturinstitutionen nach dem Fall Berlinale nun vorschreiben wollen, bleibt abzuwarten. In der aktuellen Debatte wird auch bereits gewarnt, die Kunst- und Meinungsfreiheit dürfe nicht eingeschränkt werden. Ein schwieriger Abwägungsprozess steht bevor.

Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, warnte angesichts der Debatte vor einer Verbotskultur. "Ob es uns gefällt oder nicht, wir müssen lernen, solche Debatten auszuhalten. Es wird nicht anders funktionieren", sagte Mendel der dpa. Eine Verbotskultur und Versuche, das alles von der Politik zu regulieren, funktionierten nicht.

NRW mit anderen Ländern und Bund im Austausch

Der Sprecher des NRW-Kulturministeriums teilte weiter mit: "Bei Projektförderungen sollen Workshops und Fortbildungen für Auswahljurys verpflichtend eingeführt werden, um für Antisemitismus, Rassismus und gruppenspezifische Diskriminierung zu sensibilisieren. Darüber hinaus unterstützen wir Kultureinrichtungen dabei, sich selbst einen Code of Conduct zu geben, der Maßstäbe und Strategien gegen Diskriminierung und Ausgrenzung festschreibt." Das klingt ähnlich wie Roths Ankündigungen auf Bundesebene.

Zu der Strategie gegen Antisemitismus sei "das Ministerium für Kultur und Wissenschaft mit anderen Ländern im engen Austausch. Ziel ist eine einheitliche Vorgehensweise in Bund und Land".