Benjamin Limbach, Justizminister von Nordrhein-Westfalen

Kommentar: Ein erfolgreicher Tag für die Opposition, oder?

Stand: 15.11.2024, 15:07 Uhr

Die Wendung in der Causa OVG-Besetzung ist ein Sieg für die Opposition. Doch er könnte nach hinten losgehen, meint Philip Raillon.

Von Portrait von Philip Raillon vor grauem HintergrundPhilip Raillon

Untersuchungsausschüsse sind eine Bühne für die Opposition. Sie haben den Ruf, am Ende oft wenig zu bewirken. Der aktuelle Untersuchungsausschuss zur OVG-Präsidentensuche lehrt eines Besseren. Die Arbeit der Abgeordneten hat den Stein für die neuste Wendung ins Rollen gebracht. Für die Opposition ist der heutige Tag daher in mehrfacher Hinsicht zumindest erstmal ein Erfolg.

Denn: Justizminister Limbach musste seine Auswahlentscheidung zurücknehmen. Die von ihm präferierte und ihm seit langem gutbekannte Bewerberin um das Amt der OVG-Präsidentin wird es vorerst doch nicht. Limbach blieb nicht viel anderes übrig, in die Ecke gedrängt von der Opposition. Denn die Entscheidung beruhte auf einer Beurteilung, einer Art Arbeitszeugnis, aus dem Innenministerium. Diese Beurteilung war am Montag aufgehoben worden.

Gutachten von SPD und FDP hielt Beurteilung zuerst für rechtswidrig

Philip Raillon

Die Befürchtung: Sie dürfte rechtswidrig gewesen sein. Darauf hatte das OVG in dem aktuell laufenden Gerichtsverfahren hingewiesen. Und zum gleichen Ergebnis war schon ein Gutachten von SPD und FDP gekommen.

Die Beurteilung hatte im zuständigen NRW-Innenministerium Staatssekretärin Daniela Lesmeister (CDU) unterschrieben. Und zwar erst wenige Wochen nach ihrem Amtsantritt. An sich kein Problem, wenn sie für diese Art von Zeugnis ihren Vorgänger um Einschätzung gebeten hätte. Das tat sie nicht und deshalb war die Beurteilung wohl rechtswidrig.

Jetzt gerät auch das NRW-Innenministerium in den Fokus

Und damit wäre ich beim zweiten Erfolg der Opposition: Neben Justizministerium und Justizminister Limbach rückt nun endgültig ein zweites NRW-Ministerium in den Fokus: Das CDU-geführte NRW-Innenministerium hat formal den Fehler begangen. Ein Fehler, den ich für kaum verzeihbar halte.

Wie kann eine Beurteilung für ein so wichtiges und gutdotiertes Amt auf Grundlage von nur zwei Monaten geschrieben werden? Es ist gängige Rechtsprechung, dass in so einem Fall auch ehemalige Vorgesetzte einbezogen werden müssen. Im Innenministerium arbeiten viele Juristen. Da hätte doch auffallen müssen, dass es auch auf die vorherigen Monate und Jahre ankommt, nicht nur auf die letzten Wochen.

Viele sahen den Wald vor lauter Bäumen nicht

Bemerkenswert finde ich, dass offenbar auch sonst niemandem dieser Beurteilungsmangel eher aufgefallen ist. Die Opposition stochert seit Monaten, wir Journalisten recherchieren ebenfalls intensiv. Und nicht zuletzt haben sich bereits mehrere Verwaltungsrichter, Oberverwaltungsrichter und Bundesverfassungsrichter über den Fall und die Akten gebeugt. Alle scheinen den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen zu haben.

Ich habe eine Vermutung, wie das passiert ist: Alle haben auf den Vorwurf einer politisch motivierten Auswahl durch Limbach und die Landesregierung geschaut. Diesen Vorwurf zu belegen oder zu widerlegen stand im Fokus. Es war zuletzt das Bundesverfassungsgericht, das dem Oberverwaltungsgericht ins Büchlein schrieb: Überprüft den Vorwurf und die Ungereimtheiten genauer.

Der heutige Tag: Ein Eigentor für die Opposition?

Das OVG wollte das nun machen, hatte Zeugen für Erörterungstermine in den kommenden Wochen geladen. Doch dazu dürfte es jetzt nicht mehr kommen. Das aktuelle Verfahren hat sich mit dem heutigen Tag faktisch erledigt. Und damit bin ich bei den schlechten Nachrichten für Opposition und Untersuchungsausschuss: Ich befürchte, der Erfolg könnte am Ende ein Eigentor sein.

Die Aufklärung der möglichen politischen Einflussnahme wird nun schwerer. Das nachzuweisen, ist das echte Ziel der Opposition. Es rückt nun womöglich in weite Ferne. Denn für die Aufklärung bleibt jetzt noch der Untersuchungsausschuss. Das OVG dürfte seine Ermittlungen dazu bald einstellen.

Wenn sich also bald bei SPD und FDP die Freude über den heutigen Erfolg gelegt hat, werden sie sich umso mehr an die Arbeit machen müssen.

Über dieses Thema berichten wir auch im WDR5 Morgenecho am 16.11.24.