Haben Sie in diesen Tagen zwischen Weihnachten und Silvester auch das Bedürfnis, auf das Jahr zurückzublicken, es Revue passieren und hinter sich zu lassen? Der Jahreswechsel als ein mentales Reset, als Neuanfang? Diesen Wunsch teilen Sie womöglich mit anderen. In der Silvesternacht werden nicht nur, so will es der Brauch, die bösen Geister vertrieben. Unangenehmes möge gefälligst zurückbleiben im alten Jahr. Mit dem Datumswechsel soll alles besser werden, haufenweise gute Vorsätze legen davon Zeugnis ab. Es gilt, mit neuem Schwung auf das Leben zu blicken. Frohes Neues eben.
Die politische Meinungsforschung rätselt über die Weihnachtspause, was sie mit den Einstellungen der Wählerinnen und Wähler macht. Je nach Standpunkt dürfen Parteien auf wohlmeinende Vergesslichkeit und barmherzige Vergebung durch das Wahlvolk hoffen oder doch darauf, dass der Wunsch überwiegt, es mögen sich Dinge gänzlich ändern im Land. Getreu der Devise: Jetzt erst recht! Wissen werden wir das erst in einigen Wochen.
Schon etwas früher werden wir merken, ob die fromme Selbstverpflichtung der wahlkämpfenden Parteien tatsächlich Früchte trägt. Sie haben sich versprochen, es nicht allzu wild zu treiben in der Auseinandersetzung, die nun vor ihnen liegt. Dafür bestand durchaus Anlass. Unterstellen wir ihnen testweise, dass sie es ernst meinen.
Aus Sicht der Politik in NRW heißt es nun auch, alle Weichen auf Wahlkampf zu stellen. Für die Koalition aus CDU und Grünen könnten die nächsten Wochen die eine oder andere Belastung bereithalten. Die unterschiedlichen Vorstellungen der ungleichen Partner beim Thema Migration etwa sind kurz vor Weihnachten zutage getreten. Vor allem die Grünen legen Wert darauf, ihr Verständnis von Humanität öffentlich kundzutun. Sicher, Hendrik Wüst ist nicht Markus Söder. Aber die Union, als derzeit heißester Anwärter auf den Wahlsieg in einer Art „Vormerz“-Stimmung, hat nichts zu verschenken. Der Druck kommt von allen Seiten. Die FDP wird sich ebenso um Unionswähler bemühen wie Grüne und Sozialdemokraten. Und auch die AfD hat den Christdemokraten den Kampf angesagt.
Dem Wählermarkt an Rhein und Ruhr kommt 2025 eine Schlüsselrolle zu. Hier gibt es einfach sehr viele Stimmen zu holen. Die Noch-Kanzlerpartei SPD weiß, dass sie es ohne ein halbwegs gutes Ergebnis in ihrem einstigen Stammland in Berlin nicht weit bringen wird. Die CDU hat Grund zu der Annahme, dass sie einen Großteil der 64 Bundestagswahlkreise im Westen direkt gewinnen kann. Selbstbewusst spricht Wüst von einem „Kraftzentrum“ seiner Partei. Für wen das auch ein wenig nach Eigenlob klingt, der hört wohl richtig. Die FDP, ohnehin stark dominiert von Köpfen aus NRW, muss hier zusammenkratzen, was zusammenzukratzen ist, will sie nicht erneut an der Mandatsschwelle scheitern. Es ist also angerichtet.
Auch was den inhaltlichen Streit um die richtige Politik anlangt, darf NRW getrost als Testfall gelten. Die wirtschaftliche Misere ist im Industrieland der 18 Millionen besonders ausgeprägt, Wirtschaft, Preise und Arbeitsplätze werden ganz oben auf der Agenda stehen. Wir alle haben also guten Grund, genau hinzuhören, wer uns was verspricht. Und nun auf zu den guten Vorsätzen!
Dieser Text erscheint auch als Editorial in "18 Millionen - Der Newsletter für Politik in NRW". Jeden Freitag verschicken wir die Themen, die NRW bewegen - an politisch Interessierte, Aktive, Gewählte, und Politik-Nerds. Hier können Sie den Newsletter kostenlos abonnieren: