
Oh Du fröhliche Wahlkampfzeit!
Stand: 11.11.2024, 14:22 Uhr
Hören wir auf den Weihnachtsmärkten dieses Jahr Wahlkampf anstatt Weihnachtsmusik?
Von Boris Baumholt
Bislang bin ich ganz gern auf Weihnachtsmärkte gegangen – Glühwein, Bratwurst, bunte Lichter und Weihnachtslieder haben bei mir, ich gebe es zu, immer ein bisschen das Gefühl von heiler Welt erzeugt. Diesmal könnte das anders sein.
Es kann passieren, dass uns im Dezember engagierte Wahlkämpfer bunte Flugblätter in die Hand drücken wollen, vielleicht zusammen mit ein paar gebrannten Mandeln. Statt Luftballons gibt’s Lebkuchen mit Parteilogos. Und das übrigens dann künftig alle vierJahre: Wahlkampfgetöse in der Weihnachtszeit. Für mich klingt das gruselig, es passt nicht zusammen.
Aber gut, wir haben im Moment auch keine ganz normalen Zeiten und die heile Welt gibt’s ohnehin schon lange nicht mehr. In der Ukraine führt Putin weiter seinen brutalen Angriffskrieg und bedroht auch unsere Freiheit und Werte. Und auf der anderen Seite des Atlantiks kann Donald Trump, der von ehemaligen Weggefährten als Faschist bezeichnet wird, die US-Demokratie nach seinen Vorstellungen umbauen.
All dem eine stabile und souveräne Regierung entgegensetzen? Unbedingt! Aber ein paar Wochen Ruhe bis zur Wahl ändern weltpolitisch auch nichts.
Wir müssten nach dem Ampel-Aus so schnell wie möglich neu wählen , wenn es nach NRW-Ministerpräsident Wüst geht. Das sei “ein Akt der politischen Vernunft”, sagte er am Donnerstag in Düsseldorf. Ein Blick auf die aktuellen Umfragen verspricht der Union einen großen Erfolg. Die AfD kann sich Hoffnungen auf Platz 2 machen. Mich überzeugen überhastete Neuwahlen nicht. Die Parteien müssen jetzt eh schon superschnell ihre Landeslisten aufstellen und Kommunen Wahlbüros- und Helferaktivieren.
Manchmal ist es gut, mal kurz Luft zu holen, sich zu sammeln, neu nachzudenken und dann mit einem Plan zu starten. Das gilt auch für die Parteien. Aktuell versuchen alle, sich in die beste Position zu bringen. Die parteipolitischen Interessen scheinen wichtiger als die des Landes.
Es gibt ja tatsächlich ein paar Probleme, für die die Politik schnell Lösungen liefern muss. Die Wirtschaft schwächelt, die Industrie klagt über hohe Energiekosten und zu viele Menschen im Land haben schlicht zu wenig Geld im Portemonnaie bzw. auf dem Bankkonto. Laut aktuellem Sozialbericht wächst die Ungleichheit in Deutschland weiter. Die oberen 10 Prozent besitzen 56 Prozent des Vermögens. Am unteren Ende fehlt das Geld für Weihnachtsgeschenke.

Vielleicht können sich Friedrich Merz und Olaf Scholz doch noch darauf einigen, ein paar dieser Probleme gemeinsam anzupacken und durch den Bundestag zu bringen – und zwar bevor wir in einen hitzigen Wahlkampf einsteigen. Mein Kollege JochenTrum sieht das mit der Neuwahl anders. Lesen Sie auch gerne seine Meinung.
Für mich ist klar: Scholz und Merz müssen aufeinander zugehen, was den Wahltermin und die Lösung der dringenden Probleme betrifft. Ich bin skeptisch, ob das den beiden gelingt.
Aber wünschen darf man ja mal, ist ja schließlich bald Weihnachten.
Dieser Text erscheint auch als Editorial in "18 Millionen - Der Newsletter für Politik in NRW". Jeden Freitag verschicken wir die Themen, die NRW bewegen - an politisch Interessierte, Aktive, Gewählte, und Politik-Nerds. Hier können Sie den Newsletter kostenlos abonnieren: