Kommunalwahl in Corona-Zeiten: Virtueller Wahlkampf in Dortmund

Stand: 28.04.2020, 07:11 Uhr

  • Livestream statt Absage der Talkrunde
  • Kein Applaus: Ungewohnte Atmosphäre
  • Politiker überrascht über muntere Diskussion

"Eine Minute noch", ruft Claudia Pejas. Ohne die Chefin der Firma Impulswerk läuft an diesem Montagabend (27.04.2020) nichts. Sie hat vier Kameras aufstellen lassen, eine professionelle Regie aufgebaut und hunderte Meter Kabel gezogen. Damit alles klappt bei der Premiere. Zum ersten Mal treffen die fünf Dortmunder Oberbürgermeister-Kandidaten aufeinander. Zum ersten Mal findet die traditionell von der Industrie- und Handelskammer (IHK) veranstaltete Talkrunde nicht vor Publikum, sondern als Livestream statt. Und für den ist Pejas verantwortlich.

Trotz Corona: Keine Absage der Talkrunde

Mehrere hundert Gäste hören den Politikern sonst bei den Podiumsdiskussionen zu. Heute ist der Saal wegen des Veranstaltungsverbots fast leer. Nur die Kandidaten, einige Vertreter der IHK, lokale Journalisten und das sechsköpfige Team von Pejas sind im Saal, der trotz einiger Tische völlig überdimensioniert wirkt. Kurzzeitig hatte die IHK darüber nachgedacht, die Talkrunde wegen Corona abzusagen. „Natürlich haben wir überlegt, ob die Veranstaltung stattfinden soll“, sagt IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann: „Als wir gesehen haben, dass das mit einem Livestream ganz gut klappt, haben wir uns entschieden: Wir machen die Veranstaltung.“

Muntere virtuelle Diskussion

Kein Applaus, keine Zwischenrufe: Eine ungewohnte Atmosphäre für eine politische Diskussion. Trotzdem geht es hoch her zwischen den fünf Kandidaten von SPD, CDU, Grünen, FDP und Linken. SPD-Oberbürgermeister-Kandidat Thomas Westphal ist überrascht wie lebhaft ganz ohne Publikum diskutiert wurde: „Ich glaub, das war ganz munter. Mir hat es Spaß gemacht, ist natürlich was Neues, in einem leeren Saal ohne Publikum.“ Auch seine grüne Gegenkandidatin Daniela Schneckenburger meint: „Es hatte was. Ich fand gut, dass die IHK gesagt hat: Wir lassen das nicht ausfallen, sondern wir geben den Menschen in der Stadt die Chance, die Debatte im Internet mitzuverfolgen.“

Livestream ersetzt nicht Kontakt zu Wählern

Altenas Noch-Bürgermeister Andreas Hollstein, der bei den Kommunalwahlen im Herbst für die CDU als Oberbürgermeister-Kandidat ins Rennen geht, kann sich noch nicht ganz mit der neuen Form des Wahlkampfes anfreunden: „Ich vermisse, mit Menschen reden zu können. Aber Corona diktiert vielen von uns, was wir zu tun haben.“ Und das heißt eben: Wenn die Zuhörer nicht in den Saal kommen dürfen, dann kommen die Politiker per Livestream zu ihnen nach Hause: „Solche Formate sind besser als nichts, aber sie ersetzen nicht den persönlichen Kontakt“, meint Hollstein.

Video kann auch nach der Diskussion abgerufen werden

Kein wackelndes Bild, kein Tonausfall. Nach 90 Minuten Diskussion fällt Claudia Pejas ein Stein vom Herzen: „Ist ja immer spannend mit so einem Livestream. Ist aber alles gut gelaufen. Von daher: Alles gut, ich freue mich“. Im Saal war es zwar sehr still, aber ein Livestream hat auch Vorteile. Es können Menschen zuschauen, die sonst nicht von der IHK eingeladen worden wären. Zudem steht das aufgezeichnete Video auch nach der Veranstaltung noch im Internet. Pejas hofft, dass das auch andere Veranstalter und Politiker vom virtuellen Wahlkampf überzeugt. Bisher seien die bei solchen Formen der Podiumsdiskussion zurückhaltend gewesen: „Wir machen schon lange solche Livestreams, aber erst jetzt ist die Nachfrage bei Kunden nach oben geschnellt. Wir hoffen natürlich, dass das bleibt. Auch nach Corona.“