Von Ralph Sina
Der bekannteste Unternehmer des Sauerlands ist ein Meister der griffigen Formulierungen. "Wenn die Industrie hier verschwindet, wird das mit dem Wohlstand schwieriger", betonte Arndt Kirchhoff aus Attendorn nach dem Wahlsieg der Ampel in einem Interview.
Die Einschränkung "wenn" kann NRW-Arbeitgeber-Präsident Kirchhoff mittlerweile streichen. Denn wichtige Industrie-Betriebe verschwinden - aus dem stärksten deutschen Wirtschaftsstandort namens NRW und aus der gesamten Bundesrepublik. Wohlgemerkt: Nicht Knall auf Fall. Nicht mit demonstrativem "Goodbye Germany". Nicht mit Massenentlassungen. Aber doch unübersehbar.
NRW-Industrie unter Druck
Chemie, Stahl- und Automobilindustrie, Maschinenbau und die Zulieferer aus dem Mittelstand - sie alle kommen derzeit unter massiven Druck. Jüngstes Beispiel: Der Kölner Spezialchemie-Konzern Lanxess schließt eine Anlage am Standort Krefeld-Uerdingen, bei einer weiteren wird die Stilllegung geprüft. Außerdem verhängt Lanxess einen europaweiten Einstellungsstopp.
Lanxess-Chef Zachert bringt die Ursachen auf den Punkt: Exorbitante Strompreise und überbordende Bürokratie. "Die De-Industrialisierung beginnt." Die Bundesregierung müsse aufwachen. Und an die Adresse von Wirtschaftsminister Habeck: "Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die diesen Namen verdient."
Was den Fall Lanxess auch für Schwarz-Grün in Düsseldorf so bedrohlich macht: Zum ersten Mal gerät ein Alleinstellungsmerkmal von NRW in Gefahr. Bisher verfügt Nordrhein-Westfalen mit Chemie, Stahl, Alu, Glas und Zement plus Metall und Elektro über die gesamte Wertschöpfungskette. Schwächelt die Chemie, schwächelt ein elementares Glied dieser Kette. Der Riss der Wertschöpfungskette ist dann nur noch eine Frage der Zeit. Für NRW steht also viel auf dem Spiel. Und für die gesamte Bundesrepublik.
Sozialer Frieden in Gefahr
Gelingt es Scholz und Habeck nicht sehr schnell, den Wirtschaftsstandort Bundesrepublik wieder attraktiver zu machen, ist mit den fehlenden Steuereinnahmen die soziale Sicherheit in der Bundesrepublik gefährdet. Gerade auch in den Arbeitslosen-Brennpunkten des Ruhrgebiets. Der soziale Frieden wird vor allem durch die Steuern der Industriearbeiter finanziert.
Solange aber die Strompreise exorbitant bleiben, das heimische Energieangebot zu knapp, die Steuern zu hoch, Fachkräfte fehlen und die Bürokratie wuchert, sind BASF mit der Anlagen-Schließung in Ludwigshafen und Lanxess mit der Schließung in Krefeld erst der Anfang vom Ende der bisherigen Wohlstandsrepublik Deutschland.
Wo bleibt die "Zeitenwende" für die Wirtschaft?
Der Kanzler muss endlich raus aus seiner selbstgefälligen und wortkargen Komfortzone. Wirtschaftspolitik ist auch Psychologie. Doch klare Ansagen habe ich von Scholz bisher nicht gehört. Kein Wort darüber, dass wir in einer fundamentalen Krise stecken. Ich vermisse, dass der Kanzler die nötigen Zukunfts-Anstrengungen beschreibt. Kein Scholz-Wort zur "Zeitenwende" auf dem Feld der Wirtschaft. Nichts Substantielles, was Hoffnung auf Krisenbewältigung macht.
Das einzige, was ich sehe: Scholz und Habeck spielen mit unseren Steuer-Milliarden und auf Kosten unserer Kinder und Enkel "Firmen-Monopoly". Die Bundesrepublik subventioniert Batteriefabriken wie Northvolt. Und Chipgiganten wie Intel und TSMC.
Ohne Subventionen käme niemand nach Deutschland
Angeblich fünf Milliarden Euro zahlen wir Steuerzahler dem taiwanesischen Halbleiter-Riesen TSMC dafür, dass er in Zukunft Mikrochips auch außerhalb des Machtbereichs des Pekinger Autokraten Xi produziert. Und an der Elbe neue Mitarbeiter beschäftigt. Kein schlechter Schachzug. Vielleicht auch beflügelnd für die deutsche Wirtschaft, wie Habeck Anfang der Woche in einer Video-Reaktion hofft.
Doch in einem entscheidenden Punkt irrt der Wirtschaftsminister: Die Mikrochip-Giganten kommen nicht, weil Germany als Wirtschaftsstandort plötzlich so attraktiv ist. Sie kommen vor allem wegen der Milliarden-Subventionen. Obwohl die Bundesrepublik ihren Ruf als Wirtschafts-Primus längst verloren hat.
Deutschland im Ranking schwächer als Russland
Tatsache ist: In fast allen ökonomischen Rankings stehen wir Deutsche als Verlierer da. In kaum einem anderen Land gibt es eine höhere Steuerbelastung. In keinem großen Industriestaat gibt es höhere Industriestrompreise. Kein anderes EU-Mitglied erholt sich wirtschaftlich von der Covid-Pandemie so langsam wie Deutschland. Kein Zufall, dass Deutschland beim Weltindex für die Wettbewerbsfähigkeit, den ein Schweizer Institut erstellt, seit 2019 um fünf Plätze abgestiegen ist und gerade mal auf Platz 22 liegt.
Der IWF sieht Deutschland 2023 auf Schrumpfkurs. Selbst der Kriegsverbrecher Russland hat trotz der Sanktionen laut IWF-Statistik ein höheres Wirtschaftswachstum.
Frage an die Politik
Blamabler kann die Bilanz für die Ampel und ihren Wirtschaftsminister kaum ausfallen. Es ist kein Zufall, dass Habeck in seinem Loblied auf die deutschen Milliarden für den taiwanesischen Chipgiganten die Antwort auf die eigentliche Kernfrage schuldig bleibt:
Klar ist: Die Unternehmenssteuern müssen sinken. Und alle Abgaben, Steuern und Netzentgelte auf Industriestrom auch. Das wäre ein erster Hoffnungsschimmer für energieintensive Betriebe in NRW.
Der "Regulierungs-Tsunami" tobt
"Das Haus brennt!", warnt auch Markus Steilemann in Leverkusen. Der promovierte Chemiker und Chef des Bayer-Nachfolgers Covestro verzweifelt an dem "Regulierungs-Tsunami". Der Covestro-Chef hat nachgezählt: Über 12.000 Seiten an neuen Vorschriften bereitet die von der Leyen-Kommission in Brüssel für die Chemiebranche vor. Wohlgemerkt: zusätzlich zu den bestehenden!
Ich habe noch gut im Ohr, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer EU-Karriere angekündigt hatte: "one in, one out". Für jede neue Vorschrift sollte eine alte gestrichen werden. Gestrichen wurde so gut wie nichts.
Für NRW-Unternehmen wie Covestro oder Lanxess ist die Mischung aus "Regulierungs-Tsunamie" und explodierenden Strom- und Gaskosten ein Alptraum.
Die USA profitieren
Die USA reiben sich die Hände: Der Preis für Industriestrom ist in Deutschland fünf Mal höher als diesseits des Atlantik. Die US-Steuern sind niedriger, das Umfeld innovationsfreundlicher und die Südstaaten locken mit 'Bürokratie light'.
"America first" ist deshalb nicht nur das Motto von Biden und Trump. Sondern zunehmend auch in den Chef-Etagen deutscher Konzerne.
'Go West'….
...heißt die Devise. Selbst regional sehr verwurzelte Familienunternehmen in NRW verlagern mittlerweile Produktionsteile in bestehende ausländische Standorte - so der Kölner Unternehmer Paul Bauwens-Adenauer. Vor allem aber investieren viele Familien-Unternehmen in NRW schlicht nicht mehr. Das müsste ein Alarmsignal für die Ampel sein!
Krise als Chance?
Meine Hoffnung: dass Berlin endlich handelt. Eine Idee zum Beispiel: In Köln, Düsseldorf und vielen anderen NRW-Städten gibt es interessante Start-up-Zentren. Doch Start-ups brauchen vor allem Geld. Das ist in den USA deutlich leichter zu besorgen als bei uns.
Warum garantieren wir nicht allen, die in kluge Köpfe investieren, für mehrere Jahre Steuerfreiheit auf ihre Gewinne? Dann müssten weniger kluge Köpfe nach Kalifornien auswandern - und der Wirtschaftsstandort Germany wäre wieder sexy.
Was denken Sie? Wie wird Deutschland als Wirtschaftsstandort wieder beliebt? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.
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Kommentare zum Thema
Bis auf "Kriegsverbrecher" alles richtig
Hinterfragen, nicht einfach alles durchwinken. An Kriegsverbrecher, jedenfalls nicht mehr als die USA, kann man einige begründete Zweifel anführen. Aber das ist nicht hier bei diesem Thema und das hilft auch nicht hier weiter. Wenn aber Unternehmen die Flucht aus Deutschland antreten, ist das Ziel ein Land mit billigeren Produktionskosten und da ist Polen als nächster Nachbar ganz vorne, die Ukraine war schon mit Zoll billiger für Produktion von Kabelbäumen für Autos, und auch in Russland war Produktion mit Billiglohn lohnend. Der Markt will billig einkaufen und teuer verkaufen, das ist jetzt unser Problem das wir mit allen Mitteln versuchen auszublenden.
Es muss allmählich die Einsicht wachsen, dass Sozialpolitik nur aus einem hohen und wachsenden Sozialprodukt finanziert werden kann. Ein Land, dessen Infrastruktur so heruntergekommen ist und gleichzeitig Müßiggang mit Bürgergeld honoriert, wird Schiffbruch erleiden, wenn es sich jetzt nicht unideologisch besinnt, woher sein Wohlstand einst kam.
Die Ampel hat andere Sorgen als künftige Rezession. Erst muß D zum Kifferparadies umgestaltet werden , auch aus Eigeninteresse, damit wir bekifft, nicht mehr imstande sind, ihre bekiffte Politik zu durchschauen . Die Gesundheitsgefahren durch Cannabis-Konsum sind inzwischen auch in der Wissenschaft verifiziert worden. In den Niederlanden erfolgt deswegen bereits längst eine Abkehr von der früheren Praxis . Was diese Ampel auch macht, ist unausgegoren, Stümperwerk und gehört gleich in die Tonne .
Mit der Legalisierung des Cannabis- Konsums trotz gravierender Gesundheitsgefahren bis hin zu Psychosen und Wahn bei besonders der jüngeren , noch lebensunerfahrenen Bevölkerung will die Ampel die Kriminalitätsstatistik aufhübschen , denn RauchgiftStraftaten , nach Betäubungsmittelgesetz u.a. fallen dann aus der Statistik raus, so daß der Anstieg bei anderen Delikten, wie z.B. Gewalttaten insgesamt nicht mehr zu erkennen ist . Im Jahr 2021 gabs 361.000 Rauschgiftdelikte , wovon ein Teil davon dann von der Ampel zur Imageaufhellung künftig einfach unter den Teppich gekehrt wird. Das treibt die Ampel für dieses Gesetzesvorhabens an . Ahnlich augehübscht ist die offizielle Arbeitslosenstatistik: ALLe, die sich in einer Fortbildungs-umschulungsmaßnahme der AGE befinden, werden in der Arbeitslosenstatistik nicht berücksichtig, obwohl sie ohne Job sind. Die ganze Politik der Ampel besteht nur aus Stümperwer, verpackt in teurer , auf das Volk ausgekippter er Pseudomoral.
Die Ampel ist auch weiterhin anderweitig voll beschäftigt, nämlich damit ,Oma und Opa aus ihrem Häuschen zu drängen, wo sie mit ihren Kindern viele Dekaden lang gewohnt haben. Da ist es nur logisch , daß nach einer Erhebung der Körber-Stiftung, Hamburg. nur noch 9 % der Bevölkerung politischen Parteien in D überhaupt vertrauen.
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