Entsetzen über Windräder-Abriss bei Lützerath

Stand: 25.10.2022, 21:30 Uhr

Das erste von acht Windrädern ist für die geplante Braunkohleförderung am Tagebau Garzweiler abgerissen worden. Nicht nur für einen renommierten Klimaforscher ist das schwer auszuhalten.

Von Frank Menke

Klimakrise und Energiekrise: Das sind augenscheinlich zwei Extreme, die nur schwer unter einen Hut zu bringen sind. Aktuelles Beispiel: Am Dienstag wurde das erste von acht Windrädern einer Anlage bei Lützerath abgebaut, um am Tagebau Garzweiler mehr Braunkohle fördern zu können.

Laut RWE sollen im nächsten Jahr voraussichtlich vier weitere Windräder demontiert werden, die restlichen bis Ende 2025.

"Das ist natürlich völlig kontraproduktiv." Klimaforscher Mojib Latif

Für Klimaforscher kaum auszuhalten

Für den renommierten Klimaforscher Mojib Latif vom Geomar-Helmholtz-Zentrum in Kiel ist dieses Vorgehen "kaum auszuhalten". Dem WDR sagte er: "Es ist ja im Moment tatsächlich so, dass wir wirklich jede Kilowattstunde brauchen. Und jetzt schon Windräder abzubauen, wo man noch gar nicht weiß, ob man die Kohle dann wirklich in einigen Jahren braucht, das ist natürlich völlig kontraproduktiv."

Latif befürchtet, dass RWE vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise in Deutschland wegen Russlands Ukraine-Krieg mit dem frühzeitigen Abriss vollendete Tatsachen schaffen will: "Damit dann eben doch am Ende des Tages - weil die Not so groß ist - das Kohlezeitalter ausgedehnt wird."

"Für uns ist das komplett absurd" Anwohner und Klimaaktivist David Dresen ("Alle Dörfer bleiben")
Klimaaktivist David Dresen vom Bündnis  "Alle Dörfer bleiben"

David Dresen

Auch Klimaaktivist David Dresen, der sich für das Bündnis "Alle Dörfer bleiben" engagiert und im benachbarten Ort Kuckum im Kreis Heinsberg lebt, äußert sich ähnlich wie Latif: "Für uns ist das komplett absurd, dass wir mitten in der Energiekrise und der Klimakrise - wo es ja heißt, es kommt jetzt auf jede Kilowattstunde an - Windräder abreißen, damit dann in fünf, sechs, sieben Jahren der Tagebau hierhin erweitert werden kann."

Laut RWE laufen die acht Windräder aber schon seit gut 21 Jahren und auch laut Fachagentur für Windenergie haben sie damit eigentlich das Ende ihrer Laufzeit erreicht.

Diese Argumentation lässt Dresen nicht gelten: Seiner Meinung nach hätte man die Windräder "einfach repowern können und mit neuen Anlagen tatsächlich bis zu 100.000 Menschen versorgen können übers Jahr". Auch die Fachagentur räumte ein, wenn die Anlagen Tests beständen und weiter stabil liefen, könnten sie 25 Jahre und länger am Netz bleiben.

Von der Bevölkerung akzeptierte Anlage

Darüber hinaus verwies Dresen auf einen kritischen Punkt, der es häufig sehr schwierig bis unmöglich macht, Windkraftanlagen zu installieren, nämlich davon betroffene und protestierende Anwohner: "Es ist ja nicht so, dass die Windräder hier abgerissen und woanders neu aufgestellt werden. Sondern diese acht Windräder fehlen, weil keine Flächen da sind, für die es eine Akzeptanz gibt in der Bevölkerung." Die Anlage, die jetzt abgerissen werde, sei "ein akzeptierter Standort für Windräder".

Kampf um Lützerath - wie verändert der Braunkohlestreit eine Region? I nah dran

nah dran – die Geschichte hinter der Nachricht 21.10.2022 15:19 Min. Verfügbar bis 21.10.2027 WDR Online


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Auch NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) ist nicht glücklich über den Abriss der Windräder. "Was konkret jetzt an den existierenden Windenergieanlagen-Standorten passiert, ist Entscheidung des Unternehmens." Sie erwarte nun, dass RWE den Betreibern der Windenergieanlagen klarmacht, dass diese gerade akut gebraucht würden für die Versorgungssicherheit.

Mehr als 3.500 Windräder in NRW

Ob die Ministerin Gehör findet, ist fraglich. Immerhin wuchs 2021 die Zahl der aktiv genutzten Windräder in NRW um 70 auf 3.547. Die Landesregierung hat angekündigt, in den nächsten fünf Jahren 1.000 neue Anlagen bauen zu lassen.

Über dieses Thema berichteten wir auch im WDR Fernsehen in der Aktuellen Stunde am 25.10.2022.