Weltfrauentag: Ist die Gleichberechtigung auf dem Rückmarsch? Aktuelle Stunde 08.03.2025 33:40 Min. Verfügbar bis 08.03.2027 WDR Von Astrid Houben

Frauentag: Rolle rückwärts bei der Gleichberechtigung?

Stand: 08.03.2025, 18:43 Uhr

Alte Rollenbilder werden wieder propagiert. Am Frauentag warnen Aktivistinnen, dass dies der Gleichberechtigung schaden könnte.

Von Annika Witzel

Wo stehen wir in Sachen Gleichberechtigung? Auf dem Papier hat sich schon viel getan. Weltweit besuchen mehr Frauen und Mädchen Universitäten und Schulen als je zuvor, es wird häufiger über Gesetze gegen geschlechtsspezifische Gewalt gesprochen, Frauen sind vermehrt in Politik und Wirtschaft in Führungspositionen vertreten. Es bewegt sich also eigentlich alles in die richtige Richtung. Eigentlich. Denn im neu gewählten Bundestag ist der Frauenanteil zurückgegangen – auf 32,4%.

Für Lisi Maier ist das ein Problem, weil Frauen jetzt rein rechnerisch keine Sperrminorität im Bundestag mehr haben. Sie machen nicht mal mehr ein Drittel der Besetzung des Bundestags aus. Lisi Maier ist Direktorin der Bundesstiftung Gleichstellung und hat daher ständig mit struktureller Ungleichheit zu tun. Die Stiftung erarbeitet auch Empfehlungen für die Bundesregierung.

"Man darf sich dem Rollback (...) nicht hingeben. Diversitätsprogramme müssen weitergeführt werden, dem Frauenhass, insbesondere im Netz, muss begegnet werden. Und der gesunkene Frauenanteil im Deutschen Bundestag ist eine wirkliche Herausforderung." Lisi Maier, Vorsitzende der Bundesstiftung Gleichstellung

Sie sagt zwar: "das Glas ist gerade dreiviertel voll", aber sie hat Sorge, dass weltpolitische Strömungen zu Rückschritten führen könnten

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Negativbeispiel USA

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnte vor populistischen Parteien, die den Eindruck erwecken wollen, dass Gleichstellung eine "fixe Idee progressiver Kräfte" sei. Gerade junge Männer würden sich traditionelle Rollenbilder zurückwünschen.

"Wir wissen heute, dass gemischte Teams nicht nur besser funktionieren, sondern sie kommen eben auch zu besseren Ergebnissen. Das sagen Arbeitsforscher, vor allem aber zeigt mir das meine berufliche Erfahrung in den letzten Jahrzehnten." Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident

Das deckt sich mit den Statistiken zur Bundestagswahl: (Junge) Männer wählten häufiger rechte, konservative Parteien, Frauen hingegen eher progressiv und links. Besonders in den USA hat diese Denkweise auch schon zu Veränderungen in der Wirtschaft geführt: In einigen Firmen werden Diversitätsprogramme wieder eingestellt, es soll wieder eine "maskuline Energie" in Unternehmen und Gesellschaft herrschen. So gibt die aktuelle Regierung unter Donald Trump den Kurs vor.

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Digitaler Hass spielt auch eine Rolle

Frauenrechtlerinnen sagen außerdem, dass durch die Rhetorik und das Verhalten von Donald Trump gegenüber Frauen und Minderheiten, Hass im Netz wieder salonfähig gemacht würde. Laut mehrerer Untersuchungen sind Frauen immer noch sehr häufig Ziel von Hass im Netz. Besonders Frauen in Führungspositionen oder solche, die sich öffentlich für Gleichberechtigung einsetzen, werden vermehrt attackiert.

Situation verschärft sich auch in Krisengebieten

Die Vereinten Nationen sehen die Rückschritte in Sachen Frauenrechte als globales Problem an. Laut einem UN-Bericht sind die Rechte von Frauen in jedem vierten Land der Welt bedroht. Die Zahl der Frauen und Mädchen, die in Konfliktgebieten leben, hat sich in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent erhöht. Zudem werden laut Bericht Frauenrechtsaktivistinnen und -aktivisten häufiger bedroht oder sogar getötet.

Rollenbilder beginnen im Kopf

Die gute Nachricht ist: Wir alle können uns dafür einsetzen, dass die Gleichberechtigung keine Rolle rückwärts macht. Sozialforscherin Ute Klammer betont in diesem Zusammenhang: "dass Gleichstellung keine Angelegenheit der Frauen ist, sondern es ist ein Beitrag zu einer demokratischen Gesellschaft. Da müssen die Männer eben auch mitmachen."

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Wichtig ist es laut Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dass wir im Alltag unsere eigenen Rollenklischees hinterfragen. Gerade bei der Kindererziehung spielt dies eine große Rolle. Denn Kinder übernehmen das, was ihnen vorgelebt wird, in ihren eigenen Wertekompass. Die Forschung zeigt, dass sich Rollenbilder bei Kindern bereits im Alter von drei bis vier Jahren verfestigen können. Das kann sich teilweise sogar auf die Berufs- und Studienwahl auswirken.

Engagement im Privaten und in Unternehmen

Unternehmen sind dazu aufgerufen, Chancengleichheit kontinuierlich weiter zu fördern. Darüber hinaus gibt es viele Möglichkeiten sich für Frauenrechte zu engagieren: In Netzwerken, auf Demonstrationen oder auch in internationalen Organisationen. Auch heute am Frauentag sind in NRW viele Menschen für Gleichberechtigung auf die Straße gegangen, zu Kundgebungen oder Demonstrationen.

In Düsseldorf zogen unter dem Motto "Feministischer Kampftag" rund 2.200 Menschen - überwiegend Teilnehmerinnen - durch die Innenstadt, wie ein Polizeisprecher mitteilte. In Köln waren es nach Polizeiangaben rund 5.000 Demonstrierende und damit so viele, wie von den Veranstaltern erwartet. In Bonn wurden 750 Teilnehmerinnen erwartet. Weitere Proteste waren unter anderem in Bielefeld und Minden geplant.

Unsere Quellen:

  • Webseite des Bundespräsidenten
  • WDR-Interview mit Lisi Maier
  • WDR-Interview mit Ute Klammer
  • Nachrichtenagentur AP
  • UN-Bericht
  • Familienportal NRW

Über dieses Thema berichten wir am 08.03.2025 auch im Radio und Fernsehen.