CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz sei psychisch krank und nicht mehr zurechnungsfähig, die Grünen-Politiker Robert Habeck und Claudia Roth seien in einen Korruptionsskandal in der Ukraine verwickelt: Solche diffamierende Behauptungen wurden vor Kurzem auf Internet-Portalen mit Namen wie "Narrativ" und "Wochenüberblick aus München" verbreitet und über soziale Medien wie die Plattform "X" weit gestreut.
Wenige Wochen vor der Bundestagswahl werden verstärkt Falschnachrichten verbreitet. Dabei wird zunehmend auf Fake-Nachrichtenseiten im Internet gesetzt, die seriösen Nachrichtenportalen ähneln. "Man kann davon ausgehen, dass ein Land wie Deutschland im Wahlkampf ein lohnendes Ziel ist", sagte Ralf Beste vom Auswärtigen Amt dem WDR. "So wie wir es auch in Moldau oder Rumänien erlebt haben, dass im Vorfeld von Wahlen solche Dinge zunahmen."
Verbreitung durch soziale Netzwerke
Auf vermeintlichen Nachrichtenseiten, die teils KI-generiert sind, werden Falschbehauptungen aufgestellt und dann über ein Netzwerk scheinbar unabhängiger Influencer in sozialen Netzwerken schnell verbreitet, um die Reichweite zu vergrößern. Oft ähneln die Namen der Portale bekannten seriösen Medien, um ihnen mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen - so wurde aus den realen Medien "Berliner Zeitung" und "Berliner Woche" etwa das Fake-Pendant "Berliner Wochenzeitung" geschaffen.
Der Glaubwürdigkeit bestärken sollen dabei auch Deepfake-Videos mit Aussagen von angeblichen Zeugen und vermeintlichen Whistleblowern.
Sorge vor Manipulation vor der Bundestagswahl. WDR Studios NRW. 06.02.2025. 00:59 Min.. Verfügbar bis 06.02.2027. WDR Online.
Mehr als 100 Fake-Webseiten aufgedeckt
Das Recherche-Netzwerk "Correctiv" hatte im bereits Januar mehr als 100 solche Webseiten aufgedeckt, von denen aber die meisten noch nicht für konkrete Fakes genutzt wurden. Auf diesen "Schläfer-Webseiten" werden zunächst harmlose News verbreitet, ehe sie für eine Operation genutzt werden, um politisch Einfluss zu nehmen. Die Webseiten dienen als "Vorrat" für mögliche Desinformation.
Schon im US-Wahlkampf hatten Behörden eine verstärkte Einmischung durch diese Methode registriert. "KI-Tools wurden eingesetzt, um in kürzester Zeit Falschbehauptungen zu erstellen, die über ein riesiges Netz von Webseiten verbreitet wurden, die legitime Nachrichtenmedien imitieren", teilte das US-Finanzministerium im Januar 2024 mit. Teilweise seien Influencer auch für die Verbreitung bezahlt worden, oft sei dies aber schwer nachzuweisen.
Polarisierende Themen bevorzugt
Viele der zunehmenden Angriffe in Deutschland lassen sich laut Behörden prorussischen Akteuren zuordnen. "Wir haben schon ein paar Netzwerke enttarnt, vor ein paar Monaten das sogenannte Doppelgänger-Netzwerk", sagt Beste. "Da war klar: Das sind der russischen Regierung nahe Stellen". Es würden gezielt Themen aufgegriffen, die polarisieren.
Die Verfolgung solcher Fake News ist in Deutschland schwierig. "Die klandestine Verbreitung von Desinformation durch ausländische staatliche Stellen in Deutschland ist grundsätzlich nicht strafbar", teilte das Bundesministerium für Inneres "Correctiv" auf Anfrage mit. "Dies erschwert behördliche Anweisungen an deutsche Provider für Abschaltungen".
Je näher die Bundestagswahl rückt, desto stärker wird laut Beste noch auf eine andere Methode gesetzt: den "Overload". Dabei werden Behörden und Organisationen, die sich mit Desinformation beschäftigen, mit Anfragen und Prüfaufträgen überschüttet. Dies soll Fakten-Checker überfordern, damit sie nicht mehr vernünftig arbeiten können.
Angst vor Manipulation wächst
88 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland glauben laut einer Umfrage, dass Regierungen oder Akteure aus dem Ausland versuchen, die Bundestagswahl über soziale Medien zu beeinflussen. Das ergab eine repräsentative Befragung des Digitalverbands Bitkom. Als Hauptursprungsland für Manipulationsversuche nannten die Befragten Russland mit 45 Prozent.
30 Prozent gaben an, bereits auf Falschmeldungen im Zusammenhang mit der Wahl gestoßen zu sein. "Das Bewusstsein der Wählerinnen und Wähler für Desinformation steigt", sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.
Auch Beeinflussung durch Sabotage-Aktionen
Russland steht aber auch im Verdacht, handfestere Methoden zu nutzen, um Meinungen zu beeinflussen. So soll an mehreren hundert Autos bundesweit Bauschaum in den Auspuff gespritzt worden sein - dazu wurde ein Bild vom Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck und dem Hinweis "Sei grüner!" platziert. Nach ersten Ermittlungen sei davon auszugehen, dass die Saboteure für ihre Taten Geld von einem russischen Auftraggeber erhalten hätten, hieß es aus Sicherheitskreisen.
Der Verfassungsschutz sieht bereits seit Monaten eine Tendenz, Täter teils aus dem kleinkriminellen Milieu anzuwerben, die für Geld Spionage- und Sabotageaktionen durchführen. Ein Grund für diese Entwicklung ist nach Einschätzung deutscher Sicherheitsbehörden, dass der Einsatz professioneller Spione für Russland durch Sanktionen und eine erhöhte Wachsamkeit westlicher Nachrichtendienste erschwert ist.
Unsere Quellen:
- Auswärtiges Amt
- Correctiv
- Spiegel
- Nachrichtenagentur dpa