Nina Hagen wird 70

Von Ingo Neumayer

Ihre Stimme, ihre Outfits, ihre Ansichten, ihre Sprüche: An Nina Hagen ist so ziemlich alles einzigartig. Am 11. März 2025 feiert die Sängerin ihren 70. Geburtstag.

Wolf Biermann (Gitarre), Eva-Maria Hagen, Dorothee Sölle, Nina Hagen und Ralf Hirsch (1988)

Nachdem Wolf Biermann 1976 (li.) ausgebürgert wird, äußert sie in aller Öffentlichkeit Kritik. Wenige Monate später verlässt auch Hagen die DDR und zieht in den Westen.

Eigentlich hätte alles ganz gut passen können für Catharina "Nina" Hagen in der DDR. Sie wächst im schönen Berlin-Friedrichshain auf, ihre Mutter Eva-Maria ist Schauspielerin, ihr Vater Drehbuchautor. Und auch Nina würde gerne zum Film. Doch ihre Mutter lebt nach der Scheidung von ihrem Vater mit Wolf Biermann zusammen.

Biermann hat wegen seiner regimekritischen Äußerungen in der DDR Auftrittsverbot. Und so drangsaliert die Stasi auch den Rest der Familie Hagen. Ninas Aufnahmeantrag an der Schauspielschule wird ohne Begründung abgelehnt. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen und wird Sängerin. Keine schlechte Idee: Ihr Stimmumfang beträgt stolze vier Oktaven.

1974 steigt sie bei der Rockband Automobil ein – und landet gleich mit der ersten Single einen Treffer: "Du hast den Farbfilm vergessen" wird zum Sommerhit, der auch Jahre und Jahrzehnte später noch gerne gehört wird. Doch Hagen schafft es nicht, sich mit dem DDR-System zu arrangieren.

Nachdem Wolf Biermann 1976 (li.) ausgebürgert wird, äußert sie in aller Öffentlichkeit Kritik. Wenige Monate später verlässt auch Hagen die DDR und zieht in den Westen.

In Berlin trifft sie die Politrocker Lokomotive Kreuzberg und engagiert einen Großteil der Mitglieder für ihre eigene Combo: Die Nina Hagen Band. 1978 erscheint das erste Album, auf dem sich unter anderem "Ich glotz TV" befindet. Der Song etabliert Nina Hagen auch im Westen und fasst mit der Zeile "Ich kann mich gar nicht entscheiden, ist alles so schön bunt hier" treffend ihr damaliges Lebensgefühl zusammen.

Hagen macht schnell Karriere – Schrilles Auftreten, große Klappe, kein Kuschen vor Autoritäten und immer wieder für einen Skandal gut: 1979 demonstriert sie während einer Talkshow explizit ihre bevorzugten Selbstbefriedigungstechniken.

Ihr Ego ist groß, manchmal auch zu groß: Mit den Musikern ihrer Band kommt es zum Streit, die das zweite Album "Unbehagen" kurzerhand ohne sie einspielen. Hagen nimmt ihren Gesang im Alleingang auf – und trennt sich von ihren Begleitmusikern. Die gründen darauf eine neue Band namens Spliff und kommen Anfang der 80er selbst ganz groß raus.

Nina Hagen ist Kosmopolitin: Anfang der 80er lebt sie hauptsächlich in London, Amsterdam und den USA. Genauso vielfältig wie ihre Wohnsitze sind ihr Kleiderschrank und ihre Lebensphilosophie.

Ein bisschen Hinduismus, ein bisschen Christentum, Platz für Naturreligionen und Außerirdische ist auch noch: Nina Hagen gilt schon bald als "Enfant terrible" der deutschen Musikszene und bekommt den Beinamen "Godmother of Punk" ("Patin des Punk"). Ihre Interviews und Statements erregen oftmals genauso viel Aufsehen wie ihre Musik.

Als die Neue Deutsche Welle 1982 ihre Hochphase hat, ist Nina Hagen eher außen vor. Sie veröffentlicht auf dem Album "NunSexMonkRock" Experimentalmusik und schwer verdauliche Gesangsimprovisationen.

1983 nimmt Hagen in New York Songs mit dem Top-Produzenten Giorgio Moroder auf, der schon mit David Bowie, Elton John und Donna Summer gearbeitet hat. Und in Los Angeles trifft sie die Mitglieder einer Nachwuchsband namens Red Hot Chili Peppers, die ihr die Musik für den Song "Was es ist" schreiben. Mit Anthony Kiedis, dem Sänger der Band, beginnt sie eine Affäre. Später bezeichnet Kiedis Nina Hagen als seine "sexuelle und spirituelle Mentorin".

Sind sie nicht ein schönes Paar? 1987 heiratet Hagen den Musiker Iroquois im Rahmen einer "Punkhochzeit" auf Ibiza.

Ob sie es will oder nicht: Spätestens ab den 90er Jahren gehört Nina Hagen zum bundesdeutschen Establishment, die immer zur Stelle ist, wenn ein schriller Auftritt vonnöten ist.

Ob im Duett mit Hape Kerkeling ...

... oder knutschend mit Willy Millowitsch: Nina Hagen gibt überall eine gute Figur ab und zählt schon seit Jahrzehnten zu den bekanntesten deutschen Unterhaltungskünstlern.

Von wegen Erfolgsfan: Nina Hagens Liebe zum aktuellen Bundesligadritten Union Berlin währt schon lange. Bereits 1998 singt sie die Vereinshymne "Eisern Union", die bis heute bei jedem Heimspiel des Vereins zu hören ist und lauthals mitgesungen wird.

2019 wird die Hagen sogar ein Fall fürs Museum: In Hannover widmet sich eine Ausstellung im Theatermuseum ausschließlich ihrer Person.

Drei Generationen Hagens – Tochter Cosma Shiva (Mitte) tritt als Schauspielerin und Synchronsprecherin längst in die Fußstapfen ihrer Mutter und ihrer Großmutter. Familienoberhaupt Eva-Maria Hagen (rechts) stirbt 2022 im Alter von 87 Jahren.

Auch mit Mitte 60 bleibt Nina Hagen allgegenwärtig: 2021 wird "Du hast den Farbfilm vergessen" bei Angela Merkels Zapfenstreich vom Stabsmusikkorps der Bundeswehr aufgeführt. 2022 veröffentlicht sie ihr 9. Soloalbum "Unity" und passend zur Weihnachtszeit 2024 bringt sie ihre eigene Version von "Stille Nacht" heraus. WDR 4 gratuliert der "Godmother of Punk" zum 70. Geburtstag!

Stand: 06.03.2025, 12:30 Uhr