Normalerweise sind elf Minuten im Leben einer Band nicht von entscheidender Bedeutung. Bei Ten Years After ist das anders. Ihren regulären Auftritt haben die Musiker aus dem englischen Nottingham am 17. August 1969 beim Woodstock-Festival beendet, als sie zur Zugabe ansetzen. Zum Glück für die Nachwelt und die Musikhistorie läuft eine Kamera mit – den Rest des Sets hatte die Crew nämlich nicht gefilmt.
„I’m Going Home“ spielen Ten Years After als Nachklapp, und der Song vereint alles, was die Band auszeichnet. Als Hybrid aus Bluesrock, Rock und Jazz kommt er so wuchtig wie geschmeidig daher, und das Festival-Publikum ist zugleich fasziniert und hypnotisiert. Weil Alvin Lee sein Instrument in beeindruckender Weise spielt. Technik, Schnelligkeit, Rasanz und Dringlichkeit – all das packt Alvin Lee in sein Gitarrenspiel. Und macht so den Auftritt von Ten Years After zu einem Musterbeispiel für hochenergetische Virtuosität.
Nach Woodstock nimmt die Karriere von Ten Years After, gegründet 1967, Fahrt auf. Die Band spielt fortan große Hallen und Stadien und kann diverse Alben in den britischen, amerikanischen und deutschen Charts platzieren. Zu den größten Hits von Ten Years After gehören neben „I’m Going Home“ die Songs „Hear Me Calling“, „I'd Love To Change The World“ und „Love Like A Man“.
Mitte der 1970er-Jahre verlässt Gründungsmitglied Alvin Lee die Band und startet eine erfolgreiche Solo-Karriere, in deren Verlauf er unter anderem mit Ex-Beatle George und Rolling-Stones-Gitarrist Ron Wood zusammenarbeitet. Die übrigen Musiker driften zunächst auseinander, finden aber nach zwischenzeitlichen Auflösungen und Comebacks mit neuen Mitgliedern wieder zusammen. 2013 verstirbt Alvin Lee im Alter von 68 Jahren. Zum 50-jährigen Band-Jubiläum veröffentlichen Ten Years After 2017 das Album „A Sting In The Tale“ und sind weiterhin live unterwegs. Die Motivation dafür erklärt Schlagzeuger Ric Lee, neben Keyboarder Chick Churchill verbliebenes Gründungsmitglied, so: „Chick und ich wollen den Hut ziehen vor dem Erbe, das Alvin uns hinterlassen hat“.
Das rasante Gitarrenspiel von Alvin Lee bleibt, seine Flitzefinger auf den sechs Saiten sind unvergessen. Unter etlichen Fans haben zwei ihre Begeisterung für Alvin Lee und „I’m Going Home“ auf YouTube besonders prägnant auf den Punkt gebracht. „Fastest gun at Woodstock“, kann man da lesen. Und: „What a song, what a fucking song!“