Es ist ein Lehrstuhl, der in den vergangenen Jahren für Schlagzeilen sorgte: Islamische Religionspädagogik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Mouhanad Khorchide, zuletzt Imam in Wien und Ausbilder islamischer Religionslehrer, besetzt zum Sommersemester 2010 den neuen Lehrstuhl - vorerst allerdings nur als Vertretung. "Das Wichtigste ist erstmal, das Lehrangebot zu sichern - auch für diejenigen, die noch nach der alten Studienordnung studieren", sagt der 38-jährige gebürtige Libanese, der in Münster nicht nur traditionelle Lehre anbieten möchte, sondern auch Fragen nach einem zeitgemäßen Umgang mit dem Koran und den islamischen Quellen nachgehen will. Am Donnerstag (15.04.2010) hat er seine erste Lehrveranstaltung.
Die Universität Münster bildet seit 2004 als eine von drei Hochschulen in Deutschland Lehrer für islamischen Religionsunterricht aus - rund 2.000 Lehrer werden künftig gebraucht. Ob der liberale Muslim Khorchide dauerhaft berufen wird, entscheidet der Senat der Universität allerdings erst am 28. April. Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) möchte auf Nummer sicher gehen und hat den Koordinierungsrat der Muslime bis Mitte März um eine Stellungnahme gebeten - noch steht die aber aus. Dass die islamischen Religionsgemeinschaften die Professur tragen, ist wichtig, denn sie entscheiden später mit, ob die Absolventen eine Zulassung als Lehrer für Islamische Religion bekommen.
Zwei Jahre nach dem Fall Kalisch
Die Muslimverbände hatten 2008 die Zusammenarbeit mit dem damaligen Lehrstuhlinhaber Muhammad Kalisch eingestellt. Der Islamwissenschaftler hatte öffentlich die Existenz des Propheten Mohammed angezweifelt. Daraufhin riefen die Muslimverbände dazu auf, seinen Unterricht zu boykottieren. Als Reaktion darauf entband das Wissenschaftsministerium Kalisch von der Lehrerausbildung; er ist jetzt in Münster ausschließlich in der Forschung tätig. Die Universität richtete überdies einen neuen Lehrstuhl für Islamische Religionspädagogik ein.
Die Vertretungsprofessur von Mouhanad Khorchide wird vom Islamrat und Zentralrat der Muslime getragen. "Was eine langfristige Zusammenarbeit angeht, muss aber noch vieles geklärt werden", erklärt Aiman Mazyek, Generalsekretär des Zentralrates der Muslime (ZMD). Die entscheidende Frage sei, ob die muslimischen Verbände an der Festlegung der Religionsinhalte beteiligt werden. "Staat und Wissenschaft können keine Religionsspezifika bestimmen", argumentiert Mazyek.
Welche Aufgaben Kalisch und welche Khourchide künftig übernimmt, wie ein wissenschaftlicher Beirat des neuen Lehrstuhls aussehen könnte, welche Möglichkeiten zur Mitgestaltung es dort gäbe, auch das möchten die Muslimverbände mit der Universität Münster diskutieren. Diese signalisiert Gesprächsbereitschaft. "Man kann nicht so tun, als könnten wir an den Verbänden vorbei entscheiden. Wir behalten die Hoheit über die Lehre, möchten aber ein Einvernehmen", sagt Uni-Pressesprecher Peter Wichmann.
Verhärtete Fronten
Ein Problem bleibt jedoch: Die Muslimverbände wollen bei den Strukturen mitbestimmen und sich erst dann endgültig zur Personalie Khorchide äußern. Sie haben Wissenschaftsminister Pinkwart um ein persönliches Gespräch gebeten. Ministerium und Universität Münster betrachten jedoch ihre Pflicht mit dem Angebot zur Stellungnahme zur Wahl Mouhanad Khorchides als erfüllt. "Es geht hier um eine personelle Besetzung der Professur. Da gibt es keinen Bedarf einzuladen", erklärt Uni-Sprecher Wichmann. Der Sprecher des Wissenschaftsministeriums, André Zimmermann, ergänzt: "Der Koordinationsrat hat Gesprächsbedarf in Sachen Beirat angemeldet. Anfang Mai findet zu dem Thema eine Tagung an der Uni Münster statt. Dann schauen wir mal, wie sich die Positionen dort harmonisieren lassen." Diese Argumentation lässt wiederum der Koordinationsrat der Muslime, der Dachverband der größten muslimischen Verbände in Deutschland, nicht gelten. "Wir haben um einen Termin gebeten, aber keinen bekommen, insofern können wir auch keine Stellung nehmen", erklärt Rats-Sprecher Ali Kizilkaya. Der Knackpunkt: Der Senat der Universität will Ende April endgültig über Khorchides Berufung entscheiden - also vor möglichen Gesprächen im Mai.
Mouhanad Khorchide sitzt also zwischen den Stühlen. Er weiß, dass seine Arbeit an der Uni Münster in den kommenden Monaten sehr genau verfolgt werden wird. Das angekratzte Vertrauen in die wissenschaftliche islamische Lehre in Münster will er wieder aufbauen und legt sehr detailliert dar, was einen guten Lehrer für islamische Religion auszeichnet. "Er muss ein gutes Vorbild sein, das heißt ein frommer Muslim und verantwortungsvoller Bürger. Außerdem muss er mit allen Rechtsschulen und Traditionen der islamischen Theologie vertraut sein und sie schülergerecht vermitteln können, denn in einer Klasse steht keine homogene Gruppe von Muslimen vor ihm. Er muss aber auch kritisch reflektieren können, wie man im europäischen Kontext Moslem sein kann", erklärt der 38-jährige Sunnit.
Professor unter BeobachtungMouhanad Khorchide
Mouhanad Khorchide muss vorsichtig sein, denn auch er ist in der islamischen Welt nicht unumstritten. In seiner Doktorarbeit "Islamischer Religionsunterricht in Österreich" von 2009 attestierte Khorchide den Islamlehrern, dass die Hälfte von ihnen schlecht ausgebildet sei. Ein Drittel sehe einen Widerspruch zwischen Muslimsein und Europäersein, und ein Fünftel halte Demokratie und Islam für nicht vereinbar. Kritiker warfen ihm daraufhin eine unseriöse Methodik vor. Die Muslimverbände in Deutschland waren skeptisch, glaubten, Khorchide habe die Verbände in Österreich angegriffen. Erste Gespräche mit dem Islamwissenschaftler haben die Wogen geglättet, aber nicht alle Vorbehalte ausgeräumt. Die Diskussion ist nicht abgeschlossen.