Piraten beschließen Wahlprogramm
Professionell politische LAN-Party
Stand: 14.04.2012, 16:05 Uhr
Die Piraten sind besser als ihr Ruf: Effizient, harmonisch und themenorientiert diskutieren sie auf ihrem Sonderparteitag am Samstag (14.04.2012) in Dortmund über das Wahlprogramm. Oft endet die Diskussion aber in Wünsch-Dir-Was-Forderungen - nach Lösungen wird weiter gesucht.
Von Jenna Günnewig
Neun Uhr an einem Samstagmorgen ist früh für Piraten. Sogar die Internetverbindung steht noch nicht. Auf einem zweitägigen Sonderparteitag (14./15.04.2012) im Dortmunder Keuning-Haus machen sich die Piraten auf die Suche nach ihrem Programm. Über 200 Anträge sind eingereicht worden - jeder wird vorgestellt, beraten und muss mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden. Denn am Sonntagabend soll das Piraten-Wahlprogramm für die Landtagswahl am 13. Mai stehen.
Viel Programm für wenig Zeit. Anders als bei den traditionellen Parteien fällt das Einheizen des Spitzenkandidaten deswegen eher kurz aus: "Demokratie ist immer eine anstrengende Übung. Lasst uns uns heute richtig anstrengend. Punkt", so die knappe Begrüßung von Joachim Paul. Dann wird losgearbeitet.
Wer von "Delegierten" spricht, muss zur FDP
Piraten sind verbunden durchs Netz
Zunächst werden die programmatischen Linien in der Bildungspolitik festgezurrt. Die Piraten einigen sich mit großer Mehrheit auf flexible Schullaufbahnen, wonach Schüler nicht mehr ganze Klassen, sondern nur noch einzelne Fächer wiederholen sollen, auf die Bereitstellung von BAföG für alle Studenten und die Abschaffung des Hochschulfreiheitsgesetzes.
Knapp 400 Piraten haben sich für die Abstimmung akkreditiert, den klassischen Delegierten mit Stimmrecht gibt es bei den Politik-Neulingen nicht. Wer das Wort nur in den Mund nimmt, dem wird laut Piratenglossar mit der "Zwangsmitgliedschaft in der FDP" gedroht. Anders als die Liberalen würden die Piraten laut derzeitigen Umfragewerten von fünf Prozent in den Landtag einziehen.
Analog und digital verschwimmen
Auch der Dresscode ist etwas liberaler als bei den Liberalen. Motto-Shirts, Turnschuhe und Bärte sind en vogue. Die Piraten sind eine heterogene Gruppe, verbunden durch das Netz. Auf fast jedem Schoss liegt ein Laptop. Über Twitter und die Piraten-Homepage werden die Beschlüsse sekundenschnell der digitalen Welt mitgeteilt - analog und digital verschwimmen.
Anstrengender Job: Alexander Reintzsch macht den Versammlungsleiter
Die Arbeitsatmosphäre ist dabei alles andere als chaotisch. Rede folgt auf Gegenrede, Abstimmung auf Abstimmung. Der Versammlungsleiter Alexander Reintzsch peitscht durchs Programm. Schon am Mittag sind die Piraten eine Stunde vor dem Zeitplan. Bildungspolitik sei unstrittig, den Zeitpuffer könne er gut er für Themenfelder wie "Drogenpolitik" und "Arbeit und Soziales" gebrauchen. Es scheint, als wollten die Piraten antreten, um zu beweisen, dass Basisdemokratie funktioniert. Die meisten sind sehr gut vorbereitet und diszipliniert: "Die Leute haben ein Ziel, da stellen sie die Emotionen zurück", so Reintzsch.
Die Konkretisierung des Inhalts
Über 20 Arbeitsgruppen haben die verschiedenen Anträge erarbeitet. Diese werden Tage vorher ins Netz gestellt, dort schon diskutiert und wieder überarbeitet. 90 Prozent der Anträge seien auf der Basis des bestehenden Wahlprogramms von 2010 entstanden, erzählt Simone Brand in der Raucherpause vor der Tür. "Basisdemokratie ist anstrengend und müheselig, aber wir professionalisieren uns - werden von Parteitag zu Parteitag effizienter." Die Kandidatin mit dem Listenplatz fünf ist vom piratischen System überzeugt: "Es funktioniert! Das sehen Sie daran, dass so komische Anträge, wie die Aussetzung der Schulpflicht, hier nicht durchkommen."
Auf der Suche nach Antworten
Viele Kleinklein-Anträge wie der "Erhalt der niederdeutschen Sprache" werden in Positionspapiere und aus dem Wahlprogramm verbannt. Über den spannenden Punkt "Kommunalfinanzen" wird erst gestritten, dann wird er komplett auf Sonntag vertagt - der Antragsteller ist nicht da.
Die Piraten wissen, dass sie früher oder später Antworten auf die drängenden Fragen liefern, die Zahlen zum Landeshaushalt kennen, ein schlüssiges Finanzierungskonzept vorweisen müssen. "Zu den wesentlichen Punkten der Landespolitik werden wir Sonntagabend Standpunkte haben", ist Oberpirat Joachim Paul zuversichtlich. Das Programm zeige gegenüber dem von 2010 eine klare Weiterentwicklung. Ob das ausreicht, entscheiden die Wähler am 13. Mai.