"Das wird eine sehr harte Arbeitssitzung", versprach Hannelore Kraft (SPD) nur kurz, lächelte und verschwand mit Schirm und Kollegen-Traube durch die Tür. Auch der Verhandlungsführerin der Grünen, Sylvia Löhrmann, waren zu Beginn der Koalitionsverhandlungen um 13 Uhr nicht viel mehr Informationen zu entlocken: "Einige Vertragstexte sind schon fertig." Gibt es erste Ergebnisse? Löhrmann schweigt. Eine Einigungen beim Thema Bildung? Schweigen gepaart mit einem Sphinx-Lächeln, dann ein bestimmtes "keiner prescht hier vor."
Alles bleibt hinter der verschlossenen Doppeltür
Keine SMS mit Vorab-Infos, keine über die Medien ausgetragenen Streitereien, wenig kursierende Gerüchte - die rot-grünen Koalitionsverhandlungen gehen geräuschlos über die Düsseldorfer Bühne. Es war nun das dritte Mal, das sich die 36 Politiker von SPD und Grünen in den großen Sitzungssaal des Landkreistags einschließen, um über den Koalitionsvertrag zu verhandeln. Hinter der Doppeltür wurde still gearbeitet, nichts drang nach draußen. Für die wartenden Journalisten gab es Muffins und Kaffee statt Wasserstandsmeldungen - klassischer Häppchenjournalismus.
Nach knapp fünf Stunden piepte die SMS mit der Ankündigung zum Pressestatement, um kurz vor sechs Uhr kamen die ersten Vertreter der Grünen die Wendeltreppe hinunter. Der Fraktionsvorsitzende Rainer Priggen grüßte kurz und verschwand. Verkehrsexperte Horst Becker wollte "endlich an die frische Luft". Keiner gab ein Statement, keiner sah unglücklich aus.
Finanzierungstragödie
Dann traten Kraft und Löhrmann vor die Kameras und schafften es, fünfzehn Minuten lang fast nichts zu sagen. Es seien intensive Beratungen gewesen, man habe detailliert an den Themen gearbeitet. Im Bereich Innen und Justiz, Jugend, Kultur und Sport, sowie Demografie und Medienpolitik sei man sich weitgehend einig. Löhrmann: "Aber wir nennen ihnen jetzt keine Details. Sie müssen sich noch ein wenig gedulden." Keine Details, weil - frei nach Goethe - doch alles am Gelde hängt. "Alles steht unter Finanzierungsvorbehalt. Da müssen wir noch genauer hinschauen und halten es uns bis zum Ende offen", so Löhrmann.
Dadurch, dass die Grundlinien schon im rot-grünen Koalitionsvertrag von 2010 festgezurrt wurden, muss zwei Jahre später eigentlich nur aktualisiert und korrigiert werden. "Er ist unser Ausgangspunkt, wir führen quasi ein Update durch", erklärte Löhrmann. Neu sei aber die gestiegene Bedeutung der Themenfelder Inklusion und des Rechtsextremismus.
Finale im Beichtstuhl
Bislang ist nur ein konkretes Ergebnis kommuniziert worden: Beide Parteien wollen eine Verfassungsänderung - auch damit das Wahlalter bei Landtagswahlen abgesenkt werden kann. "Alles steht unter Gesamtvorbehalt", macht Kraft aber noch mal deutlich. Am Montag (11.06.2012) gebe es die sogenannten Beichstuhlgespräche. Darin müssen die Fachleute aus den zehn Arbeitsgruppen dann ihre Vorschläge einem kleinen Gremium vorstellen. "Ein gutes Clearingverfahren" nennt Kraft, die in der Europapolitik sehr beliebte Methode.
Die Themen Energie- und Umweltpolitik, Bildung und Finanzen seien noch nicht abgearbeitet. Dass das Thema "Sparen - wie und wo" Zündstoff birgt war klar. Im unmittelbaren Zusammenhang steht auch die Frage, ob man sich eine, wie von der SPD geforderte kostenlose Kita, überhaupt leisten kann. Auch in der Energiepolitik steht die Entscheidung, Kohlekraftwerke bauen oder nicht, noch aus.
Kraft: "Das werden wir Ihnen nicht sagen"
Die Arbeitsfelder, die als Konfliktthemen schon vor den Verhandlungen ausgemacht wurden, hängen also im Zeitplan? Hannelore Kraft wollte das auf keinen Fall so stehen lassen: "Das hat zum Teil organisatorische Gründe und zeigt nicht den Grad an Dissens oder Einigungsfähigkeit - das wäre eine Fehlinterpretation." Wo gibt es denn den größten Dissens? "Das werden wir Ihnen nicht sagen, dass habe ich schon mal gesagt!"
Nichts soll die Koalitionsgespräche trüben, nach außen ist Harmonie verordnet. Denn allen ist hier klar: Einig will man und wird man sich schon werden. Auch mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr. Auch dort soll auf Rot-Grün gesetzt werden.
Zeitplan: Knapp aber schaffbar
Nun soll weiterverhandelt und auch über den Zuschnitt der Ministerien gesprochen werden. Am Dienstag (07.06.2012) soll der Koalitionsvertrag dann - einen Tag später als geplant - unterschriftsreif sein. Die Verhandlungspartner scheinen da sehr optimistisch, eine gemeinsame Pressekonferenz ist für den frühen Dienstagmittag angesetzt. Am Freitag (15.06.2012) soll der Vertrag dann auf Sonderparteitagen von SPD und Grünen abgesegnet werden. Schließlich will Hannelore Kraft schon am 20. Juni wieder zur Ministerpräsidentin gewählt werden.