Zank um Kölner Moschee eskaliert

Streitschlichtung als "Herkulesaufgabe"

Stand: 10.11.2011, 00:00 Uhr

Der Streit um den größten Moscheebau in Deutschland scheint festgefahren. Bauherrin Ditib hat dem Architekten Böhm gekündigt, es geht um angebliche Baufehler. WDR.de sprach mit dem ehemaligen Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), der jetzt vermitteln soll.

Es sollte eigentlich ein Vorzeigeprojekt werden - für einen transparenten Islam, für Integration und für eine offene Gesellschaft. Und tatsächlich: Anfangs noch von Kritikern vor allem im rechtsextremen Lager vehement bekämpft, hatte die Moschee inzwischen mit jedem Meter, den der Bau wuchs, auch an Akzeptanz bei den Kölnern gewonnen. Doch jetzt ist seine Zukunft offen: Die Bauherrin Ditib hat dem Architekten Paul Böhm offiziell gekündigt. Grund seien explodierte Kosten, bauliche Mängel und die Tatsache, dass die aus Sichtbeton gebaute Moscheekuppel nicht weiß sei. Architekt Paul Böhm weist diese Vorwürfe als "unlauter" zurück. Er sieht darin einen "gezielt eingeschlagenen Konfrontationskurs mit dem Ziel, sich vom Büro Böhm trennen zu können". Nun soll es der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) richten. Als OB war er einer der glühendsten Befürworter der Moschee, als Mitglied des Moschee-Beirats habe er einen "guten Draht" zu den Bauherren, sagt Schramma zu WDR.de im Gespräch vor der Sitzung des Moschee-Beirats.

WDR.de: Nicht nur den Architekten traf die Kündigung offenbar überraschend. Auch der Moschee-Beirat war vorab nicht über diesen Schritt informiert worden. Wie erklären Sie sich den plötzlichen Stimmungswandel bei den Bauherren?

Kölns Ex-Oberbürgermeister Fritz Schramma | Bildquelle: WDR/dpa/Berg, Oliver

Fritz Schramma: Dass es so eskalieren und zum Bruch kommen würde, danach sah es absolut nicht aus. Die Divergenzen, die man spüren konnte, die auch hier und da formuliert wurden, schienen alle gut behebbar. Einen Stimmungswandel bei der Ditib kann ich aber nicht bestätigen.

WDR.de: Der Moschee-Beirat sollte, nach Wunsch der Ditib, ein Zeichen der Offenheit sein. Man wolle, so heißt es auf der Internetseite, "dass der Prozess der Planung... und des Neubaus der Moschee offen und nachvollziehbar für die Nachbarn und die Bevölkerung gestaltet wird". Nun wurden Sie beim Rausschmiss des Architekten komplett ignoriert. Wie deuten Sie das?

Schramma: Die Frage müsste eigentlich nach Ankara gehen: Warum wird mitten in einem solchen Bauprozess der Vorstand komplett ausgewechselt? Ist es nicht sinnvoller, dass die bisherigen Leute das Werk vollenden? Aber was dahinter steckt, darüber habe ich keine Information. Man kann mutmaßen, dass es auch mit den Wahlen in der Türkei 2009 zusammenhängt, wo die konservative Regierungspartei AKP deutlich gestärkt wurde. Aber letztendlich nützen uns solche Spekulationen nichts. Wir müssen mit den Leuten reden, die hier sind. Und die zeigen jetzt wohl, nachdem wir das mehrfach angemahnt haben, wieder die Bereitschaft zur Kommunikation.

WDR.de: Auf der Pressekonferenz, die das Büro Böhm am Mittwoch (09.11.2011) gegeben hat, berichteten die Architekten erstmals davon, dass sie den ursprünglichen Entwurf im Jahr 2009 zweimal stark überarbeiten mussten, nachdem man in Ankara festgestellt hatte, dass die Fensteröffnungen angeblich an christliche Symbole erinnern würden. Hat der Moschee-Beirat das damals mitbekommen? 

Schramma: Nein, das haben wir erst jetzt erfahren. Ich denke, das war tatsächlich eine Anordnung aus der Türkei. Uns ist das nicht aufgefallen, weil man in den Bau nicht rein kam. Im Modell kann man es erkennen. Ein bisschen verstehen kann ich das schon: Ein christliche Kirche würde man ja auch nicht unbedingt mit einer Sichelform versehen. Aber ich finde auch gut, wenn man darüber streitet, das hält den Prozess lebendig.

WDR.de: Die Ditib begründet ihre Kündigung unter anderem damit, dass der Architekt die vereinbarten Termine nicht eingehalten habe, dass Kosten explodiert seien und die Kuppel nicht so weiß sei, wie vereinbart.

Schramma: Die steigenden Kosten aufgrund von Änderungen hatten wir vom Beirat aus auch immer wieder angesprochen. Aber da hat man uns von Seiten des Ditib-Vorstands geantwortet, das sollte nicht unsere Sorge sein, das habe man schon im Griff. Das klang beruhigend. Ob diese Änderungen einvernehmlich beschlossen wurden, muss uns noch dargelegt werden. Sollte das der Fall sein, können die Kosten nicht Gegenstand der Auseinandersetzung sein. Die Farbe der Kuppel ist genau definiert worden, das ist auch hinterlegt: die Zusammensetzung, die Körnung, der Sand, der Zusatz eines bestimmten Farbstoffes. Dieser Farbton wurde vorgestellt und abgenommen, immer einvernehmlich. Das liegt fest, und da brauchen wir uns gar nicht weiter drüber zu unterhalten.

WDR.de: Im Oktober 2010 wurde der komplette Ditib-Vorstand ausgetauscht. Seitdem, sagt der Architekt, sei die Kommunikation über den Bau "gestört" gewesen. Das Büro Böhm deutet die aktuellen Vorgänge als Versuch des neuen Vorstands, den Architekten loszuwerden.

Architekt Paul Böhm vor der Baustelle der Moschee in Köln | Bildquelle: dpa

Schramma: Das kann ich nicht nachvollziehen, denn auch wir im Beirat sind fast ein ganzes Jahr lang nicht informiert worden. Man konnte sehen, dass der Bau Fortschritte machte, also dachten wir, es läuft alles nach Plan. Beim Richtfest im Februar 2011 habe ich darauf hingewiesen, dass der Beirat nicht mehr einbezogen wurde. Zwei Monate später, als der Rohbau mehr oder weniger fertig war, kam die Kommunikation mit dem Beirat dann wieder in Gang. In diesen zwei Monaten wurde wahrscheinlich das Gutachten der Ditib angefertigt, daher die Funkstille. Aber der Ditib Böswillligkeit zu unterstellen, da würde ich mich nicht anschließen.

WDR.de: Trotzdem hat die Ditib den Architekten aufgefordert, die inzwischen aufgelaufenen Baukosten binnen acht Wochen auf den Stand von März 2008 zurückzuschrauben, das heißt von derzeit 38 Millionen auf 25,7 Millionen. Jeder kann sich denken, dass das ziemlich unmöglich ist. Was bezweckt die Ditib?

Schramma: Das sind juristische Schachzüge. Es geht ja jetzt um jede Menge Geld, da wird man die Forderungen auf beiden Seiten hochschrauben – der eine will das Geld einsparen, der andere will es haben. Am Ende wird man sich irgendwo in der Mitte treffen. Da wird es sicherlich eine Beweisführung geben, und diese Rechnerei kann noch Jahre dauern.

WDR.de: Dem Architekten offiziell vorzuwerfen, er habe "als Künstler brilliert, als Baumeister aber versagt" - das ist schon harter Tobak. Kann es da überhaupt noch eine Einigung geben?

Schramma: Das ist nicht zu entschuldigen, das müssen sie auch wieder gut machen. Auch in Hinsicht auf die Person Böhm, der ja schließlich einen Ruf und Namen zu verlieren hat. Ich habe mit beiden Seiten gesprochen. Der Ditib-Vorstand selbst hat mir gesagt, dass man gesprächsbereit bleiben will und eine Form der weiteren Zusammenarbeit sucht. Auch Böhm hat das signalisiert, weil er viel Herzblut in dem Projekt habe. Das ist auch die einzige Chance, wie wir weiterkommen. Sonst würde das Ganze in einer gerichtlichen Auseinandersetzung enden, und das wäre das Schlechteste: Für die Sache, für die Organisation, für den Namen des Architekten, für das Bauwerk und auch für die Stadt Köln.

WDR.de: Es heißt, Sie sollen nun in diesem Streit vermitteln. Haben Sie schon ein Konzept?

Schramma: Nein. Da ich eigentlich zu beiden Seiten menschlich ein gutes Verhältnis habe, versuche ich auf diesem Weg erstmal, die Gesprächsebene wieder herzustellen. Zurzeit reden die ja nur über Juristen miteinander, da kommen wir schlecht weiter. Ich werde versuchen, das auf der Ebene des guten Willens, den ich abrufen muss, zusammen zu bringen. Das wird schon eine Herkules-Aufgabe.

WDR.de: Das Projekt Moschee-Bau war anfangs ein schwieriges Thema in Köln. Es gab viel Protest und Auftritte der rechtsextremen Szene. Kritiker könnten jetzt wieder Wasser auf ihren Mühlen sehen.

Demonstration gegen die Moschee vor Baubeginn | Bildquelle: dpa/Berg

Schramma: Diese Befürchtungen scheinen sich bereits zu bewahrheiten. Die Szene meldet sich schon, ich habe entsprechende E-Mails bekommen. Es wäre furchtbar, wenn diese Positionen nun wieder gestärkt würden und Oberwasser bekämen. Da liefert allerdings im Moment die Ditib auch den Stoff zu, das muss man schon sagen.

Das Interview führte Nina Magoley.