Es ist wohl für alle Beteiligten hart, an einem Wochenende so früh aufzustehen. Aber die rechten Moscheebau-Gegner der Partei "Pro Köln" geben heute den Zeittakt vor: Weil sie sich um elf Uhr versammeln wollen, treffen sich die "antifaschistischen Gruppen" und die "Schüler gegen rechts" schon kurz nach neun am Rand von Ehrenfeld. Viele jedenfalls. Von einigen heißt es unter Freunden: "Die haben gestern so viel gesoffen, die kommen später."
So etwas mag auch das Klischee des Polizisten in Zivil bestätigen, der mit Kollegen den Einsatz bespricht und dabei meint: "Die sehen ja zum Kotzen aus." Er ist offenbar kein Freund von überwiegend schwarzen Klamotten und mitunter bunten Haaren. Freundschaft herrscht nicht zwischen den beiden Frühaufsteher-Gruppen, wohl aber eine relativ entspannte Atmosphäre. Streit gibt es um den Kamerawagen der Polizei. Den bezeichnet eine Sprecherin der Demonstranten als rechtlich unzulässig. Dann erklärt ein Redner noch, worum es heute geht: Man sei nicht für die Moschee, weil man überhaupt gegen Religion sei, und auch gegen den Staat. Aber den rechten Aufmarsch wolle man verhindern. Kurz ein Marx-Zitat über Opium fürs Volk und dann geht es los.
Feindseligkeiten hinter Absperrgittern
Pünktlich gegen elf Uhr verliert die Szenerie ihre Gemütlichkeit: In einer Seitengasse gleich gegenüber dem Gelände der türkisch-islamischen Union, dem Bauplatz der umstrittenen Moschee, haben die Sympathisanten von "Pro Köln" sich versammelt. Die Polizei riegelt die Straße ab, davor drängen sich die Gegendemonstranten. Die Distanz von etwa zwanzig Metern zwischen beiden Gruppen erlaubt den Austausch von Stinkefinger-Gesten. Ein paar Meter abseits, vor ihrem Versammlungszentrum, stehen einige türkische Familien, Frauen und Kinder meist, und schauen sich den Auflauf an.
Ehrenfeld lässt sich nur mäßig stören
Dazu passt, dass die Menschen auf der Hauptstraße des Viertels, die teilweise durch die Demonstrationen abgesperrt ist, entschieden am samstäglichen Alltag festhalten. Ein türkischer Gemüsehändler verkauft weiter auf dem Bürgersteig, während eine Kolonne von Polizeiautos mit eingeschaltetem Martinshorn vorbeifährt. An einer Gruppe von Schülerdemonstranten ziehen türkische Mädchen und Jungen in folkloristischen Kostümen vorbei, eine Hochzeitsgesellschaft offenbar.
Die größte Demo ist die ruhigste
Wieder zwei Straßenecken weiter, auf dem Neptunplatz, hat sich die größte Demonstration versammelt: Die Gewerkschaften, die christlichen Kirchen, der türkisch-islamische Dachverband und die meisten Parteien - von der FDP bis zur Linken - unterstützen hier den Moscheebau und demonstrieren für ein friedliches multikulturelles Zusammenleben. Der Kölner DGB-Vorsitzende Uellenberg-van Dawen begrüßt auch einige Vorstandsmitglieder der CDU, die in der Moscheefrage inzwischen zerstritten ist. Einige hundert, vielleicht auch knapp tausend Menschen haben sich auf dem Platz eingefunden. Die türkischen Teilnehmerinnen tragen rote Rosen in den Händen.
Gerangel am Demonstrationsweg
Bevor die Moscheegegner ihren Marsch antreten können, wird es noch einmal hektisch. Die Polizei muss ihnen den Weg bahnen. Es kommt zu Gerenne und zu Gerangel. Rauchbomben fliegen, ein Wasserwerfer wird in Position gebracht, aber nicht eingesetzt. Schließlich zieht "Pro Köln" durch von der Polizei abgeriegelte Straßen zu ihrem Versammlungsort neben dem Bezirksrathaus. Es sind eher weniger als die 200 angemeldeten Teilnehmer, die dem Vorsitzenden Markus Beisicht folgen. Viele Senioren sind darunter und eine Gruppe sehr kurzhaariger junger Männer. Bei der Kundgebung ist dennoch von einer "großen Manifestation des Protests" die Rede. Dabei ist die Anti-Moschee-Kundgebung eindeutig die kleinste dieses Tages. Sie wird von zum Teil berittener Polizei abgeschirmt. Dahinter skandieren die Gegendemonstranten: "Wir sind Kölner, ihr seid's nicht."
Kölner Dom in Gefahr?
Tatsächlich hat "Pro Köln" seine Hauptredner importiert: Der Belgier Bart Debie überbringt Grüße der rechten Partei "Vlaams Belang". Ein Vertreter von "Pro-NRW" aus Düsseldorf bedankt sich zunächst bei Ralph Giordano für seine Stellungsnahme gegen den Moscheebau, - ohne zu erwähnen, dass "Pro Köln" den Publizisten kürzlich noch verklagen wollte, weil er die Rechtspopulisten als "Nationalsozialisten" bezeichnete. Nach dieser Vereinnahmung macht der Redner klar, dass es eigentlich nur am Rande um die Moschee in Ehrenfeld geht. Er fürchtet nämlich, irgendwann könne die grüne muslimische Fahne über dem Kölner Dom wehen. Sein unmissverständliches Rezept dagegen: Die Muslime in Deutschland sollten ihre Koffer packen. Danach verhält sich der österreichische FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache rhetorisch weniger ungeschützt. Aber auch er erklärt Ehrenfeld zum Schauplatz eines "Kampfes um das Abendland."
Ruhe in Ehrenfeld - Randale in der Innenstadt
Währenddessen erfahren die Journalisten von einem Polizeisprecher, was am Schauplatz nicht zu sehen ist: Etwa 1.000 Polizisten seien im Einsatz. Bei den Rangeleien wurden mehrere Gegendemonstranten zeitweise festgenommen. Außerdem verhinderte die Polizei eine Demonstration von NPD-Anhängern, indem sie 17 von ihnen verhaftete und 30 angereiste Rechtsradikale wieder auf die Bahn setzte. Zur Bahn gehen auch die Moscheegegner, als ihre Kundgebung zu Ende ist: Sie werden zum Ehrenfelder S-Bahnhof eskortiert. Das ist der kürzeste Weg, um den Ausnahmezustand im Viertel wieder aufzuheben.
Der verlagert sich kurzzeitig in die Innenstadt, wo einige vermummte "Autonome" randalieren. Einige Zeit kursieren widersprüchliche Meldungen, ob es sich um versprengte "Antifaschisten" oder um Rechtsradikale handelt. Die Polizei nimmt die Randalierer fest: Es sind Teilnehmer der zuvor aufgelösten unangemeldeten Demonstration, Rechtsextremisten also. Dadurch erhöht sich die Zahl der Festnahmen auf etwa 100. Aber zu dieser Zeit geht die "schweigende Mehrheit" von Ehrenfeld, die heute von beiden Seiten mehrfach für die jeweils eigene Position vereinnahmt wurde, wieder ihrem Wochenend-Alltag nach.
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