Fünfzehn Minuten, das wissen die Park-Ranger aus Erfahrung, gönnt sich der Durchschnitts-Tourist, um die grandiose Schluchtenlandschaft zu bestaunen. Bequem an einem der Aussichtspunkte vorgefahren, entfährt ihm beim ersten Blick in die Tiefe ein "Wow!" oder "Awesome!". Ein kurzer Moment der Überwältigung, dann Panoramaschwenk mit der Kamera, Schnappschüsse mit Familie, Einkauf im Souvenirshop - und der Grand Canyon, eines der größten Naturwunder der Erde, ist abgehakt.
Viele der täglich bis zu 20.000 Besucher aber können sich kaum satt sehen an den urzeitlichen, Ehrfurcht gebietenden Felsformationen des 450 Kilometer langen Grand Canyons. Schon Theodore Roosevelt, ein früher Verfechter des Naturschutzes, besuchte im 19. Jahrhundert gern die bis zu 29 Kilometer breite Schlucht, die das Wasser des Colorado River in den Fels geschnitten hat. Es sei der einzige Ort, den jeder Amerikaner gesehen haben sollte, meinte der spätere Präsident der USA. "Lasst alles, wie es ist. Man kann es nicht verbessern."
Einarmiger Pionier erforscht die Schlucht
Unter ungeheurem tektonischem Druck falteten sich vor etwa zwei Milliarden im heutigen Arizona bis zu zehn Kilometer hohe Bergketten auf. Magma aus dem Erdinneren zwängte sich zwischen die Gesteinsschichten und hinterließ rosafarbene Granitadern. Wind und Wasser trugen die Berge in Jahrmillionen großteils ab, aber weitere Urzeit-Beben rissen die Erdkruste auf und lagerten neue Gesteinsschichten ab. Vor rund sechs Millionen Jahren bildete sich dann der Colorado, der sich seither bis zu 1.800 Meter in die Tiefe gegraben hat.
Die steilen Wände der so entstanden Schlucht gewähren einen Blick auf das älteste freiliegende Gestein der Erde. Als erste Weiße dringen 1540 spanische Eroberer bis ins Gebiet des "Höllenschlunds" vor, das damals zu Mexiko gehört. 300 Jahre später, nach der Eroberung Arizonas durch die USA 1848, wagen sich die ersten Siedler in die vielfarbig schimmernde Felswüste. Seinen Namen erhält der Grand Canyon vom Forscher John Wesley Powell. Mit neun Männern und vier Holzbooten durchquert der einarmige Pionier 1869 die gesamte Schluchtenlandschaft.
Staudamm stört Öko-System
Als erster Politiker macht sich Benjamin Harrison 1882 für den Schutz des Canyons stark. Der spätere 23. Präsident der USA stellt mehrere Anträge, die einzigartige Felsformation zum Nationalpark zu erklären – ohne Erfolg. Das gelingt erst dem als Kriegsheld angesehenen Theodore Roosevelt. "Die Zeitalter haben am Grand Canyon gearbeitet und die Menschheit kann ihn nur beschädigen. Was man tun kann, ist ihn zu erhalten, für eure Kinder, eure Kindeskinder und für alle, die nach euch kommen", fordert der 1901 als 26. Präsident vereidigte Roosevelt. 1908 erklärt er den Grand Canyon zum Nationalen Monument. Elf Jahre später, am 26. Februar 1919, wird das gesamte Areal per Gesetz als Nationalpark unter Schutz gestellt.
Obwohl seither strenge Regeln für die Besichtigung und das Durchwandern des Canyons gelten, leidet der Nationalpark zunehmend unter dem Ansturm von inzwischen jährlich fast fünf Millionen Touristen. Auch der 1956 errichtete Glen Canyon Staudamm hat sich als tiefer Eingriff in das Ökosystem erwiesen, weil er dem Colorado das Wasser abgräbt. Trotzdem arbeitet sich der Fluss durch den Abtransport von Sand und Geröll weiter in die Tiefe vor, alle zehn Jahre um etwa 1,5 Millimeter.
Stand: 26.02.2014
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.