Es steht unweit des Eiffelturms mitten in Paris: Das Musée du Quai Branly ist nach seinem Standort am linken Seine-Ufer benannt. Sein Name ist bewusst neutral gewählt, nachdem die ursprünglich gewählte Bezeichnung "Musée des Arts premiers" keine allgemeine Akzeptanz fand. Denn der Begriff "Arts premiers" ("Erstkunst"), der den abwertenden Ausdruck "Art primitif" ("Primitivkunst") ersetzt hat, erschien als zu vage. Stattdessen hat sich das Museum eine Art Untertitel gegeben: "Wo sich Kulturen zum Dialog treffen". Präsentiert werden Sammlungen, die "die Kunst und die Zivilisationen Afrikas, Asien, Ozeaniens sowie Nord- und Südamerikas" würdigen - wie auf der Museums-Homepage zu lesen ist.
Entstanden ist das Museum der außereuropäischen Kulturen auf Initiative des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac. Nach seinem Amtsantritt verkündet er 1995, dass der Louvre kein großes Museum bleiben könne, wenn er weiterhin die Kunst von 70 Prozent der Weltbevölkerung ignoriere. Im folgenden Jahr lanciert er das Projekt. Architekt Jean Nouvel entwirft eine auf Pfeilern stehende, elegant geschwungene, bunte Konstruktion, die inmitten eines 18.000 Quadratmeter großen Landschaftsgarten steht. Eine riesige Glaspalisade soll das Museum vom Lärm der Seine-Uferstraße schützen und eine Linie mit einer Pflanzenwand bilden. "Man soll zunächst durch einen Garten gehen und ein Gebäude entdecken, das man von außen praktisch nicht sehen kann", sagt Nouvel. Er wolle mit diesem Konzept "aufnahmebereit machen für das Andere".
Jährlich 1,5 Millionen Besucher
Das etwa 200 Meter lange Gebäude, das rund 25 Prozent des gesamten Areals bedeckt, wird in fünfjähriger Bauzeit für gut 235 Millionen Euro errichtet. Am 20. Juni 2006 eröffnet Chirac die Anlage in Anwesenheit von UNO-Generalsekretär Kofi Annan: "Das Museum am Quai Branly zeigt andere Arten zu handeln und zu denken, andere Beziehungen zwischen den Lebewesen, andere Weltanschauungen." Die neue Einrichtung solle ihren Besuchern eine "unverzichtbare humane Botschaft vermitteln". Es gehe um "die Zurückweisung des Ethnozentrismus, jener unsinnigen Anmaßung des Abendlandes, alleiniger Träger der Bestimmung der Menschheit zu sein". Die Überzeugung, dass jede Kultur von gleichberechtigter Würde sei, bilde das Fundament des Museums.
Auf einer Fläche von 7.000 Quadratmetern sind 3.500 Kunstobjekte in einer Dauerausstellung zu sehen. Insgesamt wurden für das Museum am Quai Branly über 300.000 Objekte zusammengetragen. Sie stammen hauptsächlich aus dem Bestand zweier anderer Pariser Museen: dem mittlerweile wiedereröffneten Musée de l'homme und dem früheren Musée national des arts d'Afrique et d'Océanie, das einmal Museum der Kolonien hieß. Das Museum versteht sich vorwiegend als Kulturzentrum für jedermann: Es geht um die Zerstörung von Kulturerbe ebenso wie um Blues von Indianern aus North-Carolina oder Perlenketten aus Papa-Neuguinea. Das interessiert über 1,5 Millionen Besucher jährlich.
Interdisziplinäre Forschung
"Der Quai Branly ist nicht nur ein neues Museumsmodell", sagt Carol Ivory, Spezialistin für polynesische Kunst. "Wir finden hier auch an einem Ort ganz verschiedene Studienmethoden." Zu den Wissenschaftlern gehörten unter anderem Kunsthistoriker, Anthropologen, Ethnohistoriker und Archäologen. "Wir arbeiten und forschen hier alle zusammen." Konkret: "Ein Forscher arbeitet bei uns zum Beispiel an Pandemien wie Hühnergrippe und den Konsequenzen, die solche Krankheiten für die Gesellschaft haben, wie sie das soziale Umfeld verändern", sagt Museumsdirektor Stéphane Martin. "Das ist Völkerkunde!"
Auf die Frage, ob es vertretbar sei, in einem Museum mit diesem Anspruch teilweise geraubte Objekte anderer Kulturen zu zeigen, antwortet Direktor Martin, sie gehörten keinem Museum, sondern dem Staat. Das müsse die Politik regeln: "Ich bin persönlich davon überzeugt, dass wir uns im besonderen Fall Afrikas am Wiederaufbau eines Kulturerbes beteiligen müssen, das gewaltsam verstreut wurde."
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