Zinkverkleidet und mit Fenstern, die wie Risswunden in der Fassade klaffen, wirkt das Bauwerk von außen wie eine avantgardistische Skulptur. Der Grundriss des am 23. Januar 1999 eröffneten Jüdischen Museums Berlin (JMB) erinnert mit seiner Zick-Zack-Form an einen geborstenen Davidstern. US-Architekt Daniel Libeskind, Sohn polnisch-jüdischer Eltern, hat Geschichte in Baukunst umgesetzt und ein "Symbol für das schwierige deutsch-jüdische Verhältnis" geschaffen. Sogenannte Voids (Leerräume) ziehen sich in voller Höhe durch das Innere des Gebäudes. Sie stehen für die Vernichtung des jüdischen Lebens während des Nationalsozialismus, für das Verlorene. Verwinkelte und verzerrte Gänge wecken die Vorstellung von einem "Labyrinth des Erinnerns". Die "Achse der Vernichtung" endet in einem dunklen Betonverlies, dem "Holocaust-Turm". Die "Achse der Emigration" führt ans Licht, in den "Garten des Exils". Erst die "Achse der Kontinuität" führt in die Ausstellungsräume. Die drei Achsen stehen symbolisch für drei Wirklichkeiten der Geschichte der jüdischen Deutschen.
Das erste Jüdische Museum in Berlin wird am 24. Januar 1933 eröffnet - sechs Tage bevor Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wird. Wenig später setzt die Entrechtung der deutschen Juden ein. Das Museum wird damals von der jüdischen Gemeinde weiterbetrieben, wenn auch unter ständig wachsenden Einschränkungen. 1938 kommt das Verbot und die staatlich organisierte Plünderung. Nach dem Zweiten Weltkrieg braucht es lange, bis die Idee, ein neues Jüdisches Museum zu bauen, umgesetzt wird. Als nach schier endlosen Streitigkeiten über das Konzept das Projekt zu scheitern droht, wird der ehemalige US-Finanzminister Michael Blumenthal, Sohn deutsch-jüdischer Emigranten, zum Gründungsdirektor berufen. Er setzt die rechtliche Selbstständigkeit des JMB durch. Damit ist es unabhängig vom Land Berlin, der Bundesregierung und den jüdischen Verbänden. Eine Stiftung - finanziert vom Bund, dem Land Berlin und einer Gruppe überwiegend amerikanischer Sponsoren - kommt für den Unterhalt des Museums auf.
"Unser Ziel ist klar: Die Geschichte der deutschen Juden mit allen ihren Hoch- und Tiefpunkten in dieser Stadt und in diesem Land zu zeigen", sagt Blumenthal am Eröffnungstag. Um das den Besuchern vermitteln, werden eine Fülle von Führungen durch die Ausstellungen angeboten. Natürlich zum Thema NS-Zeit und Antisemitismus, aber auch zu Juden in der deutschen Kultur, zu jüdischen Festen und Feiertagen, zu Juden als deutsche Soldaten, zur Rolle der Frau - und seit einigen Jahren auch spezielle Angebote für Muslime. Bei den Führungen werden die Besucher demonstrativ offen und freundlich von sogenannten Hosts (Betreuer) betreut. Das Team der Hosts besteht aus rund 200, vorwiegend jungen Leuten aus 15 Nationen. Sie tragen alle einen roten Schal und schwarze Kleidung. Mittlerweile gehört das Jüdische Museum zu einem der erfolgreichsten Museen in Deutschland. Es will Denkanstöße geben, sagt Blumenthal: "Wir tun die Arbeit nicht nur für jüdisches und nichtjüdisches Zusammenleben, sondern für das Zusammenleben mit allen Menschen."
Stand: 23.01.09