Aus Plastik macht man Putzeimer, aber doch keine Möbel! Kunststoff genießt Anfang der 1960er-Jahre den Ruf des praktisch Billigen, ungeeignet für höhere Ansprüche. Für Verner Panton dagegen ist Plastik der Kunststoff schlechthin. Mit einer futuristischen Stuhl-Ikone aus Polyester mischt der dänische Designer knallbunte Pop Art in das Einheitsgrau der Sechziger.
Schon als Schüler fällt der 1926 auf Fünen geborene Gastwirtssohn durch künstlerische Eigenwilligkeit auf. Maler will er werden, doch den Eltern zuliebe studiert Panton Architektur in Kopenhagen. Sein Lebensweg entscheidet sich, als er 1950 für zwei Jahre bei Arne Jacobsen, dem bekanntesten Designer und Architekten des Landes, in die Lehre geht.
"Kein Stuhl – eine Amöbe"
In dieser Zeit entwickelt Jacobsen jenen Stuhl, der als "Ameise" zum Klassiker der Moderne wird. "Ich habe von niemanden so viel gelernt wie von ihm“, sagt Verner Panton. Er selbst beginnt bald von einem Freischwinger zu träumen, von "einem Stuhl aus einem Stück, ohne Schrauben und aus Plastik. 1955 habe ich die ersten Skizzen gemacht."
Poppige Farben sind für Panton ein wichtiges Stilelement, denn "man sitzt bequemer auf einer Farbe, die man mag“. Zehn Jahre lang feilt der Designer an der Form seines Freischwingers und der Materialerprobung. Vom Unverständnis der Möbelindustrie, "Das ist kein Stuhl, das ist eine Amöbe…nein danke…zu riskant", lässt er sich nicht entmutigen.
In Willi Fehlbaum, Gründer der Baseler Designschmiede Vitra, findet Verner Panton den Unterstützer, den er braucht. 1968 stellt Vitra den "Panton Chair" in mehr als einem Dutzend Farbvariationen auf der Kölner Möbelmesse vor. Der erste freischwingende Kunststoffstuhl aus einem Guss wird auf Anhieb zur omnipräsenten Ikone des Pop-Art-Designs.
Zeitloser Ideengeber
Wie radikal Verner Panton den Alltag durch Pop Art aufmischt, beweist auch die von ihm gestaltete legendäre Kantine im Hamburger "Spiegel"-Haus. Seit 2011 steht sie im Museum. Bis Ende der 70er-Jahre stellt Panton die Designwelt mit immer neuen, radikalen Möbelideen auf den Kopf, etwa mit dem "Flying Chair", der von der Decke baumelden gepolsterten Sitzhöhle.
Dann kommen die Achtziger. Pop Art ist out, Plastik gerät durch Ölkrise und wachsendes Umweltbewusstsein in die Kritik und die Produktion des "Panton Chair" wird eingestellt. Doch als sein Erfinder Verner Panton am 5. September 1998 mit 72 Jahren stirbt, gilt er längst als einer der einflussreichsten Designer seines Jahrhunderts.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 5. September 2018 ebenfalls an Verner Panton. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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